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Pfefferspray im Kieler Landtag

Schleswig-Holsteins Innenminister wegen Richterschelte in der Kritik

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie (CDU) hat Ärger, weil er eine Richterin wegen der Verurteilung eines Polizeibeamten nach einem Pfeffersprayeinsatz kritisiert hatte. Schlies Angriff auf die Gewaltenteilung sei »inakzeptabel«, heißt es.

Künftig dürfte sich Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie (CDU) genauer überlegen, welche Briefe er verfasst. Nach seinem Schreiben an eine Elmshorner Amtsrichterin, in dem er eine Verurteilung eines Polizeibeamten nach einem Pfeffersprayeinsatz kritisiert, hat er sich den Zorn der gesamten Justiz des Landes zugezogen. In der gestrigen Landtagsdebatte brachte ihm dies eine »Aktuelle Stunde« ein, beantragt von der Fraktion der LINKEN.

Brief ging an alle Wachen

Richter, Anwälte und Notare haben über ihre Berufsverbände nun ebenfalls einen harschen Brief an Schlie geschrieben, was ihm denn einfalle, an der richterlichen Unabhängigkeit zu rütteln. Schlies Angriff auf die Gewaltenteilung sei »inakzeptabel«, heißt es in der Kritik. Richterverband, Neue Richtervereinigung, Anwalts- und Notarverband merken an, es sei ein bislang einmaliger Vorgang in Schleswig-Holstein, dass alle Organisationen gemeinsam ein Mitglied der Landesregierung kritisieren. Justizminister Emil Schmalfuß (parteilos), vor seiner Ministerberufung selbst Richter, erinnerte im Landtag daran, dass grundsätzlich gelte, bereits den Anschein einer möglichen Beeinflussung zu vermeiden. Doch Schlie ist nicht bereit, sich für seinen derart gerügten »Fehltritt« zu entschuldigen, sondern verteidigt diesen weiterhin. Es sei ihm um die Fürsorge für alle Polizisten im Lande gegangen, lautet seine Argumentation, und darum, eine Diskussion anzuschieben. Den Brief, der ihm nun so viel Ärger eingebracht hat, hatte er übrigens über Intranet an alle Polizeidienststellen weitergeleitet.

Der Aufschrei der parlamentarischen Opposition ist umso verständlicher, wenn man weiß, dass Schlies Reaktion zu einem Zeitpunkt erfolgte, als noch gar keine schriftliche Urteilsbegründung vorlag – ganz abgesehen davon, dass das Urteil auch noch gar nicht rechtskräftig ist. Schmalfuß verglich dieses Vorgehen mit der Rezensierung eines Buches, das man noch gar nicht gelesen habe.

Außerdem muss der Innenminister sich die Frage gefallen lassen, warum er die von ihm gescholtene Richterin namentlich nennt und diese dadurch öffentlich diskreditiert. Schlie hatte der Richterin geraten, die Beamten doch einmal bei einer Nachtstreife zu begleiten, um sich ein Bild von der persönlichen Belastungssituation der Uniformträger zu machen. Die von Schlie Gescholtene hatte Anfang des Monats einen 43-jährigen Polizeihauptmeister wegen Körperverletzung in einem minderschweren Fall zu einer Geldstrafe in Höhe von 6300 Euro verurteilt, weil dieser sich gegen einen mutmaßlichen Ruhestörer nicht anders zu helfen wusste, als zum Reizgasgerät zu greifen. Zuspruch bekam der Innenminister von der Gewerkschaft der Polizei. Schlie betonte bereits im Innen- und Rechtsausschuss, in der Polizei herrsche derzeit eine große Verunsicherung, wann man zu Zwangsmitteln greifen dürfe und wann nicht.

FDP geht auf Distanz

Für die Grünen bedeutet die briefliche Maßregelung der Richterin einen »Versuch der Einschüchterung«. Heinz-Werner Jezewski von der LINKEN unterstellt Schlie, die Stammtische befriedigen zu wollen. Selbst der Koalitionspartner FDP geht auf Distanz zum Innenminister. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki führte aus, Schlie habe die zulässige Grenze einer zulässigen Kritik an einem richterlichen Urteil überschritten. Dass es sich wie von Schlie dargelegt um keinen Versuch einer Beeinflussung gehandelt habe, sei nur »schwer vermittelbar«, so der Abgeordnete und Anwalt Kubicki.

Verständnis für seinen Parteikollegen äußerte CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher. Die SPD verlangte ein klärendes Wort des Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU), doch der schwieg sich aus.

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