Hollywood und Hochkultur

Die Filmförderanstalt Medienboard Berlin-Brandenburg zog Bilanz und wagte einen Ausblick

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 4 Min.
Reingefallen: Für das Medienboard-Projekt »Unknown Identity« litt die Oberbaumbrücke.
Reingefallen: Für das Medienboard-Projekt »Unknown Identity« litt die Oberbaumbrücke.

Orlando Bloom und Christoph Waltz in den »3 Musketieren«, das französische Model Marie de Villepin als Weltraumtouristin in »Baikonur« oder neu zu entdeckende Gesichter im Drama »Der Albaner« – das Medienboard Berlin-Brandenburg verspricht einen heißen Kino-August mit den von ihm geförderten Filmen. Und auch die Bilanz für 2010, die die Geschäftsführer Kirsten Niehuus und Elmar Giglinger gemeinsam mit dem Sprecher des Berliner Senats, Richard Meng, am Dienstag zogen, kann sich sehen lassen. Die Region Berlin-Brandenburg sei schon 2009 der gefühlte Filmstandort Nummer eins in Deutschland gewesen, schätzt Niehuus ein. Jetzt habe die vielseitige Filmproduktion den Spitzenplatz endgültig erobert.

32,3 Millionen Euro konnte das Medienboard 2010 ausgeben, davon stammen 21,4 Millionen von den Ländern. ProSiebenSat1, ZDF, RTL, rbb und die ARD-Spielfilm-Produktions-Tochter Degeto steuerten 7 Millionen Euro bei. Für die Filmförderung wurden knapp 24 Millionen Euro ausgegeben, und der Effekt kann sich sehen lassen: Für jeden Förder-Euro gaben die Filmemacher fünf Euro in der Region aus.

Til Schweigers Leinwandhit »Kokowääh« ist ebenso unter den geförderten Projekten wie die Dokumentarfilme »Cinema Jenin« von Marcus Vetter und Andreas Dresens »Herr Wichmann aus der dritten Reihe« sowie der Hollywood-Film »Anonymous« von Roland Emmerich. Diese Bandbreite zwischen Nachwuchsförderung, ambitioniertem und wagemutigem Arthouse- und großem Kommerz-Kino will das Medienboard auch künftig im Auge behalten.

In den vergangenen Jahren hatte sich der Blick der Förderer auf die boomende Start-Up- und Gamesbranche gerichtet. Gezielt werden Ansiedlungen und das Erschließen neuer digitaler Geschäftsfelder unterstützt. Neu ist die Förderung der Digitalisierung der kleinen Kinos, für die 700 000 Euro bereit standen. In den Genuss des Geldes kamen neben den Eva-Lichtspielen, dem Blauen Stern, dem Odeon und dem Filmtheater am Friedrichshain vor allem Häuser aus Brandenburg, darunter der Filmpalast in Bernau, das Ala in Falkensee, das Union in Luckenwalde und die Weltspiegel in Cottbus und Finsterwalde.

In die positive Bilanz mischten sich auch Wermutstropfen. Die Europäische Union nimmt die Filmförderungen unter die Lupe, um den mit Steuermitteln angeheizten Wettlauf um amerikanische Filmproduktionen zu begrenzen. Diese an sich sinnvolle Sache kann sich zum Nachteil des Studios in Babelsberg auswirken, falls die EU-Kommission die Förderung einschränkt. Die Kosten sind hierzulande höher als in Budapest oder Krakow. Die Konkurrenz für Babelsberg aus London und anderen Städten wiederum kann mit Millionensummen jonglieren, die hier nicht zur Verfügung stehen.

Außerdem will die EU-Kommission die Mittelbindung an die Region aufweichen. Deutsche Steuergelder könnten dann ins europäische Ausland fließen. Kirsten Niehuus bleibt aber gelassen und setzt auf die fairen Bedingungen, die das Medienboard den Filmproduzenten einräumt, die Attraktivität des Standorts und die Kreativität der Branche.

Der Etat ihrer Institution wird in den kommenden Jahren trotz erhöhter Kosten bei den Drehs voraussichtlich nicht steigen. Die Länder wollen angesichts der angespannten Haushaltslage ihre Zuschüsse einfrieren. Sat1 und ZDF dagegen haben ihren Beitrag gerade erhöht, RTL ist im Vorjahr neu in den Kreis der Unterstützer eingestiegen. Entscheidender finanzieller Nachteil im Vergleich mit den besser oder ähnlich aufgestellten Regionalförderungen in Nordrhein-Westfalen oder Bayern bleibt der kleine ARD-Regionalsender rbb, der nur sehr begrenzt Impuls- und Geldgeber für die fiktionale Produktion sein kann.

So wird sich das Medienboard auch künftig getreu seiner Satzung auf die Filmförderung konzentrieren. Eine Unterstützung von Fernsehproduzenten sei auch politisch nicht gewollt, machte Meng klar. Allerdings mag der Einwand gestattet sein, ob es nicht sinnvoll wäre, auch Seriendrehs mit einer kleinen Summe hier herzulocken und so Arbeitsplätze zu schaffen. Im Gegenzug könnte man die Unterstützung von 125 000 Euro für die Bambi-Verleihung kürzen – einer Privatveranstaltung, die zur besten Sendezeit live im Fernsehen ausgestrahlt wird.

Diese Übertragung und Bevorzugung schadet indirekt dem deutschen Film. Die Gala zur Verleihung der Deutschen Filmpreise wurde stets nur als Zusammenschnitt zu später Stunde gesendet. Begründet wird dies von den Verantwortlichen bei ARD und ZDF mit der Befürchtung, die Auszeichnung von Kameraleuten oder anderen Mitarbeitern der Sets würde die Zuschauer zum Umschalten verleiten. Nur Stars zählen. Beim Publikum aber bleibt so der Eindruck, dass Bambi & Co wichtiger sind als der Deutsche Filmpreis. Daher sollten sich die Verantwortlichen beim Medienboard fragen, ob sie diese Entwicklung unterstützen wollen.

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