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Verdruss im Ulmental

Schweden: Politikerwoche im Zeichen von Spannungen in den Blöcken

  • Gregor Putensen
  • Lesedauer: 2 Min.
In der schwedischen Politikerwoche zeigten sich Verschleißerscheinungen der großen Parteien. Während es in der bürgerlichen Koalition kriselt, konnten Oppositionspolitiker punkten.

Olof Palme, damaliger Bildungsminister Schwedens, machte 1968 eine Idee wahr: Im Stadtpark von Visby, dem »Almedalen« (Ulmental), erklärte er von der Ladefläche eines Lkw aus den dortigen Urlaubern die sozialdemokratische Regierungspolitik. Selbst Urlauber auf Gotland, legte Palme jedes Jahr in »schlipsloser« Form seine Gedanken zu Problemen seiner Zeit dar. Nachahmer aus allen politischen Lagern machten daraus in den 70er Jahren in der jeweils ersten Juliwoche ein politisches und mediales Großereignis. Keine der bisher im Reichstag vertretenen Parteien ließ sich fortan die Gelegenheit nehmen, die Woche von Almedalen zur Propagierung der eigenen Ziele zu nutzen.

Vor den Wahlen im September vorigen Jahres stand diese Woche vor allem im Zeichen demonstrativer – optischer – Einheit nicht nur der Vorsitzenden der bürgerlichen Vierparteienallianz auf der einen Seite, sondern auch der Führer der rot-rot-grünen Oppositionsparteien auf der anderen Seite. Nach dem Wahlsieg der bürgerlichen Allianz verlief die Politikerwoche nun insgesamt unaufgeregter, aber mit unverkennbaren Anzeichen politischer Erosionserscheinungen.

Zum einen ist da die Tatsache, dass die bürgerliche Allianzregierung sich durch den Einzug der neofaschistischen Schweden-Demokraten nur noch auf eine parlamentarische Minderheit der eigenen Parteien stützen kann und Lösungen lediglich durch »blockübergreifende« Übereinkünfte mit einzelnen Oppositionsparteien erreichbar sind. Als Hauptansprechpartner erwiesen sich dabei vor allem die Grünen und als großer, wiedererstarkter Antipode die Sozialdemokraten mit ihrem neuen Vorsitzenden Håkan Juholt. Zum anderen zeigte sich jedoch im Verlauf der Almedalswoche, dass der rot-rot-grüne Zusammenhalt Geschichte ist. Aber auch in der Regierungsallianz ist der Verdruss über den weiteren Resonanzzuwachs der ohnehin führenden Moderaten Sammlungspartei auf Kosten der kleinen Parteien, insbesondere der bäuerlichen Zentrumspartei und der Christdemokraten, unübersehbar. Über einen Ausstieg aus der Allianz wird laut nachgedacht.

Nach Abschluss der Politikerwoche zeigt das Resumee der mehrheitlich bürgerlichen Printmedien in Schweden, dass die rhetorischen Höhepunkte von den Parteivorsitzenden der Sozialdemokraten, Håkan Juholt, und der Linkspartei, Lars Ohly, gesetzt wurden. Unabhängig voneinander polemisierten sie gegen die neoliberale Steuersenkungsphilosphie und weitere Privatisierungspläne der bürgerlichen Regierung im Bereich von Bildung und Gesundheit. Beide forderten umfassende Investitionen in die Infrastruktur, vor allem in das Bahn- und Nahverkehrsnetz des Landes. Bitter dürfte allerdings für Lars Ohly die während der Politikerwoche von Almedalen erfolgte Ankündigung gleich zweier Politiker der Linkspartei sein, sich um den Parteivorsitz zu bewerben.

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