FKP fordert in Libyen-Krise »Diplomatie ohne Bomben«

Parlamentsmehrheit in Paris trotzdem für Fortsetzung des Krieges

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Vier Monate nach dem Beginn des internationalen Militäreinsatzes in Libyen hat Frankreich die Fortführung der Luftangriffe beschlossen.

Beide Kammern des Parlaments haben am Dienstag über die Fortsetzung des militärischen Engagements in Libyen debattiert und abgestimmt. Wie angesichts der erdrückenden Mehrheit der rechten Regierungspartei UMP und des Einschwenkens der Sozialisten auf die Linie der Regierung nicht anders zu erwarten war, votierten 482 Abgeordnete der Nationalversammlung für die Fortsetzung des Krieges, nur 27 dagegen, während 311 Senatoren dafür und 24 dagegen stimmten.

Debatte und Abstimmung im Parlament sind durch Artikel 35 der Verfassung vorgeschrieben, wenn ein »militärisches Engagement vier Monate überschreitet«. Premier François Fillon begründete die Fortsetzung des Krieges mit der Notwendigkeit, Druck auf das Regime in Tripolis auszuüben und eine politische Lösung zu erzwingen. Die Bombenangriffe durch Flugzeuge der NATO hätten »ein Blutbad in Bengasi verhindert« und dazu geführt, dass die Truppen von Staatschef Muammar al-Gaddafi zu keiner größeren Militäroperation mehr fähig seien. Ebenso habe sich die Front im Osten des Landes stabilisiert. Im Westen seien die Aufständischen weiter vorangekommen.

Die französische Regierung suche mit allen Mitteln nach einer politischen Lösung, versicherte Fillon, der allerdings keine direkten Kontakte zum Gaddafi-Regime, sondern nur indirekte über Drittländer einräumen wollte. Außenminister Alain Juppé betonte, die französische Diplomatie arbeite bereits intensiv an Szenarien für »den Tag danach«. Voraussetzung für eine politische Lösung sei allerdings, »dass Gaddafi das Feld räumt – wie auch immer«. Nur dann sei eine Verständigung über die Zukunft Libyens denkbar.

Sprecher der Sozialistischen Partei betonten, sie wollten dem Vorgehen in Libyen »nicht im Wege stehen«, mahnten zugleich aber, das militärische Engagement, das Frankreich bereits mehr als 100 Millionen Euro gekostet hat, müsse schnellstmöglich in eine politische Lösung des Konflikts münden. Während es bei Rechten und Sozialisten nur einzelne »Dissidenten« gab, die der Regierungspolitik ihre Stimme verweigerten, stimmten die Fraktion der Kommunistischen Partei und der Partei der Linken geschlossen, die Fraktion der Grünen mehrheitlich gegen den Krieg in Libyen.

FKP-Sprecher Jean-Jacques Candelier zweifelte die Versicherung der Regierung an, wonach sich die Situation in Libyen »fortlaufend positiv entwickelt«. In Wirklichkeit sei die Lage »unübersichtlich und verfahren«. Das Eingreifen sei überstürzt erfolgt, ohne alle politischen Möglichkeiten für eine Lösung des Konflikts auszuschöpfen. Es liege nicht im Interesse des libyschen Volkes, die Militäraktionen fortzusetzen, sondern die NATO-Kräfte unverzüglich zurückzuziehen und einen Waffenstillstand durchzusetzen. Der FKP-Sprecher forderte eine »Diplomatie ohne Bomben« und eine »schnelle politische Lösung, um die Zivilbevölkerung zu schützen«.

Kritiker sowohl aus dem linken wie dem rechten Lager sprachen von einem »Fiasko« und forderten die »Achtung des Selbstbestimmungsrechts der Völker«. Den anfänglichen Rückhalt der französischen Bevölkerung habe man sich durch Übertreibungen und Fälschungen erschlichen.

Tatsächlich war nach den Anti-Gaddafi-Demonstrationen vom 17. Februar von 2000 Todesopfern durch »Vergeltungsaktionen« des Regimes allein in Bengasi und 6000 im ganzen Land die Rede, während Augenzeugen in Bengasi 250 Tote bestätigten. Die Explosion eines Munitionsdepots am Stadtrand von Bengasi Anfang März, die 27 Tote forderte, wurde von der offiziellen französischen Propaganda auf »skrupellosen Beschuss« durch die Truppen Gaddafis zurückgeführt, während es in Wirklichkeit zur Explosion kam, als militärisch unerfahrene Rebellen mit den Waffen hantierten. Vor solchem Hintergrund hatte der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1973 verabschiedet, die den Schutz der Zivilisten in Libyen zum Ziel erklärte, aber inzwischen von Frankreich und den anderen NATO-Staaten äußerst freizügig und fragwürdig ausgelegt wird. Sie soll inzwischen sogar den Abwurf von Waffen für die Rebellen und die Entsendung von Militärberatern für ihre Ausbildung rechtfertigen. Doch der Rückhalt für den Kriegseinsatz bröckelt. Einer Umfrage zufolge wird der Krieg inzwischen von 51 Prozent der Franzosen abgelehnt.

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