Samstagsarbeit statt Lohnerhöhung

Ver.di kritisiert Tarifangebote in der Versicherungsbranche

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Weniger Angestellte als erhofft streikten gegen die Tarifpläne der Versicherungsbranche. Die leidet mehr unter den niedrigen Zinssätzen.

Pünktlich zum Dienstbeginn am Freitag legten tausende Versicherungsangestellte in der vergangenen Woche die Arbeit nieder. Ihr Streik richtete sich gegen Vorschläge der Assekuranzvorstände in der seit März laufenden Tarifrunde, die nach Meinung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auf eine »Verschlechterung der Arbeitsbedingungen« hinauslaufen. Die Beteiligung der Beschäftigten am Streik blieb hinter den Erwartungen zurück. Am Montag kam es in Karlsruhe und Mannheim zu weiteren Aktionen.

»Die Branche weist gute wirtschaftliche Erfolge auf und die Beschäftigten haben mit ihrer Arbeit an dieser erfolgreichen Situation beigetragen«, so der Landesfachbereichsleiter von ver.di, Berthold Bose, während einer Kundgebung auf dem Gertrudenkirchhof in Hamburg. So stiegen die Beitragseinnahmen der Versicherungswirtschaft im vergangenen Jahr um fast fünf Prozent auf 179,5 Milliarden Euro an. »Anstatt aber die Beschäftigten mit einer angemessenen Gehaltssteigerung an den Gewinnen zu beteiligen, sollen die Arbeitsbedingungen verschlechtert werden.« So sei zunächst die Streichung der arbeitsfreien Tage Heiligabend und Silvester sowie die Ausweitung von Samstagsarbeit gefordert worden. Ver.di fordert eine Anhebung der Gehälter um sechs Prozent, mindestens aber 150 Euro. Die Unternehmen bieten bislang zwei Prozent ab Oktober und wünschen sich eine überlange Laufzeit von 33 Monaten. Die Strategie der Arbeitgeberseite läuft darauf hinaus, vor allem bei Neueinstellungen die Bedingungen zu verschlechtern.

Am vergangenen Freitag folgten bundesweit 7700 Angestellte dem Streikaufruf ver.dis – im Juni hatten noch mehr als 10 000 Beschäftigte der Branche die Arbeit niedergelegt. Dabei wächst der Druck auf die Versicherungsangestellten. 216 000 Menschen arbeiten noch in der Branche, ein Drittel in den Hochburgen München, Köln und Hamburg. Vor zehn Jahren waren es noch weit mehr, rund 250 000. Bislang hat für 2011 zwar nur Talanx Stellenstreichungen angekündigt, doch die Zukunft ist ungewiss. Wie kaum eine andere Branche leiden die Versicherer unter den infolge der Finanzkrise dauerhaft niedrigen Zinssätzen für ihre Milliardenanlagen. Verunsichert wird die Branche auch durch überfällige Forderungen von Verbraucherschützern. Dazu kommt der Niedergang des früheren Verkaufsschlagers Kapitallebensversicherung und die Konkurrenz durch Banken und Fondsgesellschaften wächst.

Anderseits hat die Branche noch Luft nach oben, zeigt eine Studie des schweizerischen Rückversicherers Swiss Re. Die Versicherungsdichte – also die Prämieneinnahme pro Kopf der Bevölkerung – ist in Deutschland mit 2904 US-Dollar im Vergleich zu vielen anderen entwickelten Versicherungsmärkten durchschnittlich. Einige der unmittelbaren Nachbarn, etwa in der Schweiz, Niederlande, Dänemark und Frankreich, erzielen deutlich mehr. Und in Schwellenländern wie China oder Brasilien entstehen rasant neue Märkte, mit deutscher Beteiligung.

Die Assekuranz hat anders als die Banken direkt unter der Krise kaum gelitten, aber, so ein Sprecher des Arbeitgeberverbandes AGV, »andere Branchen boomen stärker«. Am kommenden Donnerstag werden die Verhandlungen wieder aufgenommen.

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