Programm gegen das Artensterben

Umweltorganisationen sehen EU-Biodiversitätsstrategie skeptisch

  • Benjamin Haerdle
  • Lesedauer: 3 Min.

Die EU-Kommission hat Großes vor: Sie will den Rückgang bedrohter Tier- und Pflanzenarten stoppen. Richten soll es eine EU-Biodiversitätsstrategie für das Jahr 2020, die EU-Umweltkommissar Janez Potocnik im Mai präsentierte. Bereits im Jahr 2001 wollte die EU den Artenverlust bis 2010 stoppen. Ein gescheitertes Unterfangen.

»Ich bin zuversichtlich, dass dieses neue sektorenübergreifende Konzept ein Weg ist, um den Biodiversitätsverlust bis 2020 zum Stillstand zu bringen«, erklärte Janez Potocnik zum neuen Anlauf der EU. Sechs Einzelziele hat Brüssel dafür formuliert. So will die Kommission beispielsweise die Vogelschutz- und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie schneller umsetzen, Land- und Forstwirtschaft ökologischer machen, invasive Arten schärfer bekämpfen und mehr gegen den globalen Biodiversitätsverlust tun. Wie Brüssel diese Ziele mit Hilfe der EU-Mitgliedsstaaten erreichen will, hat sie in 20 Maßnahmen dargelegt.

Nach Angaben der EU-Kommission sind seit 1990 bereits 75 Prozent der genetischen Vielfalt landwirtschaftlicher Kulturen verloren gegangen, Jahr für Jahr fallen 13 Millionen Hektar Regenwald der Säge zum Opfer, 20 Prozent aller tropischen Korallenriffe sind schon verschwunden und 60 Prozent der weltweiten Ökosysteme werden nicht nachhaltig genutzt. Die Folgen: Viele Ökosysteme seien bereits so stark geschädigt, dass sie kostenlose Dienstleistungen der Mutter Natur wie saubere Luft, sauberes Wasser oder die Bestäubung landwirtschaftlicher Kulturpflanzen nicht mehr erbringen können. Und in Europa sei etwa die Population der verschiedenen Wiesenschmetterlinge seit 1990 um rund 70 Prozent geschrumpft.

Ob die Kommission diese Negativtrends bis zum Jahr 2020 wirklich mit der Biodiversitätsstrategie zu stoppen vermag, bezweifeln Umweltverbände: »Die neue Strategie bietet eine positive, aber keine ehrgeizige Blaupause für das Überleben der Natur«, sagt Angelo Caserta von BirdLife. Ähnlich skeptisch äußert sich Alberto Arroyo, Conservation Policy Coordinator beim WWF International: »Die Strategie ist ein wichtiges Signal guter Absichten, aber sie hat nicht wirklich die Kraft, um den Biodiversitätsverlust zu stoppen.« Auch beim NABU fällt die Begeisterung eher mau aus: »Die Strategie ist nicht ambitioniert genug«, sagt Claus Mayr, für Europapolitik verantwortlicher NABU-Direktor. Ihm gehen einzelne Maßnahmen etwa zur Umsetzung der Natura 2000-Gebiete oder zur Ökologisierung der Landwirtschaft nicht weit genug.

Immerhin: Ihre erste Feuertaufe hat das Strategiepapier schon bestanden. Der EU-Umweltministerrat entschied Ende Juni, die Strategie zu unterstützen. Einzelne Maßnahmen sollen aber während der seit dem 1. Juli laufenden polnischen EU-Ratspräsidentschaft diskutiert werden. NABU-Experte Mayr erhofft sich davon Präzisierungen für bislang schwammig formulierte Maßnahmen.

Ohnehin gehen die Umweltverbände davon aus, dass für das Wohl und Wehe von Tieren, Pflanzen die anstehende Reform der Brüsseler Agrar- und der Fischereipolitik weit wichtiger sein dürfte. »Das wird der wirkliche Belastungstest, wie wichtig die Politik den Artenrückgang nimmt«, urteilt WWF-Vertreter Arroyo.

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