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Gemeinsam gegen die »Großen«

Kleinfischer kämpfen weltweit mit den gleichen Strukturproblemen als Folge der EU-Politik

  • Dieter Sell, epd
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Krise verbunden – Küstenfischer aus Westafrika und Norddeutschland kämpfen gleichermaßen mit leeren Netzen.
Begegnung auf der Nordsee: Fischer Gaoussou Gueye an Bord des Museumschiffs »Gebrüder«
Begegnung auf der Nordsee: Fischer Gaoussou Gueye an Bord des Museumschiffs »Gebrüder«

Ein westafrikanischer und ein norddeutscher Fischer ziehen gemeinsam an einem Tau, um ein Segel zu hissen. Nur ein Augenblick, aber mehr Symbolik geht nicht, als Gaoussou Gueye an Bord des Museumskutters »Gebrüder« vor Wangerooge im Wattenmeer kreuzt. Der Generalsekretär des Westafrikanischen Kleinfischerverbandes ist auf einer Rundreise entlang der norddeutschen Küste. Dabei wird schnell deutlich: Die Küstenfischer aus Westafrika und Norddeutschland kämpfen gleichermaßen mit leeren Netzen.

Organisiert wird die Rundreise vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) und der Bremer Meeresschutzorganisation »Fair Oceans«, die Kleinfischer zusammenbringen wollen.

»Wir leiden gemeinsam unter der industriellen Fischerei und einer verfehlten EU-Fischereipolitik«, sagt Gerold Conradi, Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft der Küstenfischer an der Emsmündung. Auch wenn es Krabben im Überfluss gebe – »der Fisch ist nicht mehr da«. Schollen würden jetzt weit draußen auf der Nordsee an der Doggerbank gefangen. »Die können wir mit unseren Schiffen nicht erreichen«, verdeutlicht Conradi im Gespräch mit Gaoussou Gueye. 100 Seemeilen zum Fischzug mit Kuttern, deren Motoren nur 300 PS leisten und an der Doggerbank in Konkurrenz zu Trawlern mit 2000 PS fischen – das funktioniert nicht.

Gueye kennt das aus seiner Heimat Senegal. »Große ausländische Fabrikschiffe fangen unseren traditionellen Fischerbooten, den Pirogen, die gut bezahlten Edelfische weg«, berichtet er bei einer Diskussion in Greetsiel. Die Konsequenz: In den Netzen der afrikanischen Kleinfischer zappelt immer weniger Fisch, der zunehmend jünger und kleiner ist und für den die Männer immer weiter auf das Meer hinausfahren müssen.

Viele Regionen seien überfischt, den Afrikanern fehle die Nahrungsgrundlage, sagt Gueye. »Wir müssen billige Fischkonserven aus Portugal und Spanien kaufen«, ergänzt der Senegalese. »Einheimischen Fisch bekommen wir häufig nicht mehr. Und wenn, dann ist er zu teuer.«

»Die Armut in den Fischerdörfern nimmt zu, junge Männer wandern ab in die Slums der Großstädte«, ergänzt Francisco Mari, Fischereiexperte des EED. So werde die Piroge immer öfter vom Handwerks- zum Fluchtwerkzeug, um dem Elend zu entkommen und eine Perspektive in Europa zu suchen.

Mari erzählt von illegaler Fischerei, sogenannter Piratenfischerei, und von Großunternehmen aus EU-Ländern. Unter afrikanischer Beteiligung fangen sie in den Gewässern des Senegal Tintenfische und Doraden. Das sei zwar offiziell legal, aber die Nutznießer seien in erster Linie die Europäer. Der Krabbenfischer Conradi fühlt sich an Verhältnisse vor seiner Küste erinnert: »Niederländische Eigner mit Fahrzeugen unter deutscher Flagge arbeiten hier nach dem gleichen Prinzip.«

»Die Politiker handeln nicht im Interesse einer nachhaltigen Küstenfischerei, sondern für die Lobby einflussreicher Investoren«, schimpft Gueye. Der Ostfriese Conradi pflichtet ihm bei und sagt, die kleinen Küstenfischer müssten sich international verbünden. Sonst sei die Konkurrenz zwischen Piroge und dem industriellen Fischtrawler, zwischen Kutter und Fabrikschiff aussichtslos.

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