Mit offenem Visier

Kommentar von Uwe Kalbe

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.

Blogger mit offenem Visier, also Kenntnis von Ross und Reiter statt Nicknamen wünscht sich Innenminister Friedrich. Es ist ihm nicht zu verdenken, wenn er nach den Attentaten von Norwegen über die Ursachen des Unglücks grübelt und dem Internet eine gewisse Beihilfe an der geistigen Irrfahrt anlastet, die dem Verbrechen vorausging. Gefahren zu erkennen und möglichst zu minimieren, das ist sein Job, dafür ist er Innenminister. Aber gehört die Anonymität von Tagebüchern zu dieser Gefahr, auch wenn man sie heute nicht mehr im Schreibtisch verwahrt, sondern für jedermann lesbar ins Netz stellt?

Es ist eine inzwischen lange Reihe von Wünschen, die die Politik zur Kontrolle des Internets äußert. Immer dann, wenn sich Kriminelle oder politisch Geächtete des Internets bedienen, wird diese Liste länger. Das Internet sei kein rechtsfreier Raum – mit diesem angriffslustigen Satz macht der Staat gern seinen Anspruch auf Kontrolle deutlich. In den beengendsten Zeiten galt immer der Satz: Die Gedanken sind frei. Jetzt plötzlich scheint es möglich, selbst diese zu kontrollieren. Und der Staat, der dazu neigt, allem zu misstrauen, was sich seiner Kontrolle entzieht, kann der Versuchung nicht widerstehen. Doch es ist nicht zu verhindern, dass politische Vorbehalte, auf die Politik so angewiesen ist, mit der Geschwindigkeit des Netzes verbreitet werden. Und auch nicht, dass sie ihre verheerende Wirkung entfalten. Nichts kann das Irren verhindern, die Verwirrung oder die Gewalt, die ihnen folgt. Mit oder ohne Internet. Und deshalb darf sich der Bundesinnenminister wünschen, dass Blogger ihre Anonymität fallen lassen. Sicherer würde die Welt davon nicht.

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