Inseln ohne Insulaner

Nicht nur auf Sylt wird der Wohnraum für Einheimische mit kleinem Gelbbeutel immer knapper

  • Martina Scheffler, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Es ist ein lange schwelendes, lange bekanntes Problem: Wohnraum auf der Nordseeinsel Sylt ist knapp, begehrt und wird daher immer teurer. So teuer, dass viele Einheimische nichts Erschwingliches mehr finden und die Insel verlassen. Ein Trend, der auf andere Nordseeinseln übergreift.

Westerland/Wyk. Noch ist er nur eine Wiese, auf der Kinder und Eltern sich zum Spielen treffen. Doch künftig soll der Bastianplatz in Westerland Wohnraum für einheimische Sylter bieten – etwas, das rar geworden ist auf der Promi-Insel. Seit bald 20 Jahren schon gebe es das Problem der steigenden Mieten und Immobilienpreise – in letzter Zeit habe es sich aber noch einmal zugespitzt, sagt der stellvertretende Bürgermeister der Gemeinde Sylt, Carsten Kerkamm. Er macht die Finanzkrise mitverantwortlich. In unsicheren Zeiten wollen Menschen in sichere Anlagen investieren – wie in Immobilien auf Sylt.

Fenster bleiben dunkel

Doch die Einheimischen können mit dieser Preisentwicklung oft nicht mithalten. Eine Doppelhaushälfte, 152 Quadratmeter, für 3,3 Millionen Euro, oder ein Friesenhaus für 5,9 Millionen – nach oben hin scheint es kaum Grenzen zu geben. Für den kleinen Geldbeutel sieht das Angebot dagegen mager aus. »Die Gemeinde versucht, gegenzuwirken«, sagt Kerkamm und verweist auf seit einigen Jahren bestehende Erbbaupacht-Programme, bei denen die Erwerber den Erstwohnsitz auf Sylt nehmen und für 20 Jahre nicht verkaufen dürfen – tun sie es doch, geht der Gewinn an die Gemeinde.

Am Bastianplatz nun soll Wohnraum nur für Sylter entstehen. Bislang war das Gelände mitten in Alt-Westerland ein Trainingsplatz für einen Sportverein. Der hat den Platz vor einigen Monaten an die Gemeinde zurückgegeben. »Dauerwohnraum« soll hier nun entstehen, erzählt Joachim Schweitzer, Leiter der Bauverwaltung des Inselbauamtes. »Das wird eine Mischung aus altengerechtem Wohnen, einem Mehrgenerationenprojekt, Eigentumswohnungen und Mietwohnungen.« Frühester Baubeginn, schätzt Schweitzer, könnte im Frühjahr 2013 sein. Ungefähr 10 bis 15 Millionen Euro werden wohl investiert.

Wie sich die Insel durch den Wegzug der Einheimischen und die Nutzung vieler Gebäude als Ferienwohnung verändert, konnte Sven Lappoehn, Geschäftsführer des Sylter Heimatvereins Söl'ring Foriining, bereits beobachten. Lappoehn ist selbst auf der Insel aufgewachsen, auf der »früher Soldaten, Lehrer und Postbeamte« in ihrer eigenen Wohnung oder einer Reihenhaussiedlung lebten. Jetzt seien in manchen Gegenden »40 bis 60 Prozent der Häuser im Winter dunkel, es gibt da auch keine Kinder mehr«.

Lange Wartezeit auf Föhr

So weit ist es auf Sylts Nachbarinsel Föhr »längst noch nicht«, sagt der Bürgermeister des Hauptortes Wyk, Heinz Lorenzen. Es gehe aber in dieselbe Richtung. Der Verwaltung behagt das nicht: »Wir möchten, dass Einheimische hier weiter wohnen zu Konditionen, die sie sich leisten können.« Bezahlbaren Wohnraum wolle man durch Umwandlung von Grünflächen in Bauland schaffen.

Wer auf Föhr günstig mieten will, muss mitunter lange warten. Die Baugenossenschaft Gewoba Nord in Wyk hat eine Warteliste von bis zu vier Jahren für Wohnungen, sagt Mitarbeiterin Martina Christiansen. Die Nachfrage sei konstant hoch.

Auf der noch etwas kleineren Nordseeinsel Amrum will man ähnliche Wege wie auf Sylt gehen, erzählt der Bürgermeister des Ortes Nebel, Bernd Dell Missier. Auch dort arbeitet man mit Erbbaurechten, Grund und Boden verbleiben bei der Gemeinde. »Aber die Ressourcen sind endlich, wir wollen nicht unbegrenzt Bauland ausweisen.« Für Durchschnittsverdiener sei es schon schwer, Immobilien zu erwerben.

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