Würden Sie den Brief nochmal so schreiben?

Nach ihrem Brief an Fidel Castro kann die Parteiführung der LINKEN nicht auf Gnade hoffen

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Debatte um einen Brief an Fidel Castro ist die jüngste in einer ganzen Reihe unerfreulicher Debatten. Nicht erst mit der öffentlichen Erörterung dieses Briefes ist die Reputation der Partei gefährdet, aber jetzt scheinen auch die letzten Dämme gebrochen.
Zeichnung: Rainer Hachfeld
Zeichnung: Rainer Hachfeld

Aufgefordert, doch mal zum Test die Menschenrechtsverletzungen in Kuba aufzuzählen, macht die Parteichefin gute Miene zu bösem Spiel. Gesine Lötzsch spricht in der Pressekonferenz am Montag über Presse- und Versammlungsfreiheit und räumt ein, dass der Brief, den sie und der Kovorsitzende Klaus Ernst zum 85. Geburtstag Fidel Castros gesandt haben, womöglich hätte »noch schöner« geschrieben werden können. Da hat sie wohl Recht. Aber den Journalisten auf der Fraktionsebene der LINKEN im Bundestag reicht das nicht. Warum sie überhaupt einen Brief an Castro habe schreiben müssen, will man von Lötzsch wissen. Und ob sie auch Briefe zum Geburtstag der Staatschefs in Nordkorea und China schreiben werde.

Zumindest würde sie darin wohl nicht von »unverbrüchlicher Freundschaft und Solidarität« schreiben und wohl auch nicht von einem »kampferfüllten und erfolgreichen Wirken« des Jubilars. Für die meisten Journalisten ist dies jedoch ohnehin alles eine Soße. Die meisten bewerten den Brief wohl so ähnlich, wie exemplarisch in der Berliner »Tageszeitung« (taz) zu lesen war, als ein »kurioses Dokument beachtlicher Dummheit«. Das ist sozusagen die gemilderte Form der Kritik, in deren verschärfter Variante es eher so formuliert wird, wie von Ulrich Deppendorf und Rainald Becker vom ARD-Hauptstadtstudio im Sommerinterview mit Gregor Gysi: »Sagen Sie uns doch mal, was haben sich denn Ihre beiden Vorsitzenden ... dabei gedacht, einem kommunistischen Diktator zum Geburtstag zu gratulieren, ihn für sein kampferfülltes Leben zu preisen? Haben Sie das gewusst? War das mit Ihnen abgesprochen?« Natürlich war es das nicht, weil Parteivorsitzende gewöhnlich ihre Poststücke nicht vom Fraktionschef im Bundestag absegnen lassen. Aber die Antwort auf die Frage nach dem Warum hat Gesine Lötzsch doch noch gegeben: Weil, so sagte sie auf der Pressekonferenz, es viele Genossen in der Partei gibt, die enge Beziehungen zu Kuba haben. Hier kommt nun die nicht gestellte, aber entscheidende Frage, die in der Partei offenkundig von verschiedenen Leuten verschieden beantwortet wird. Muss sich die Linkspartei nun für ihre Sympathien für Kuba schämen?

Diese Antwort muss man ihr wirklich selbst überlassen. Sachsen-Anhalts Linken-Fraktionschef Wulf Gallert ist offenbar nicht dieser Meinung. Er bezeichnete die Geburtstagsglückwünsche als »legitim«. »Sicher hätte man das eine oder andere auch anders formulieren können«, sagte Gallert in einem dpa-Gespräch in Magdeburg. »Es ist aber allgemein nicht üblich, in ein Glückwunschschreiben alles reinzuschreiben, was jemand falsch gemacht hat.«

Andere Ratschläge lesen sich allerdings eher peinlich. Gabi Zimmer, immerhin eine Amtsvorgängerin von Lötzsch und Ernst, identifizierte in einer Kolumne für die taz 2003 * die rigide Besucherauswahl Kubas als Grund für die wirtschaftliche Isolierung des Landes – am Beispiel der verweigerten Besuchserlaubnis für Claudia Roth, Vorsitzende der Grünen. »Liebe kubanische Freunde«, machte sie sich zur Unterhändlerin Roths, »Ihr könnt auch den USA nicht weiterhin erfolgreich den Stinkefinger zeigen und auf die Solidarität vieler Völker hoffen, wenn Ihr gleichzeitig bockt und Andersdenkende ausgrenzt.« Was trieb die heutige Europaabgeordnete zu ihrem mütterlichen Rat? Sicher ist: Es wird der LINKEN nicht helfen, als Partei mit Dauerabo auf Verachtung durch den politischen Gegner Selbstbewusstsein zu demonstrieren, indem sie den Streber mimt und Kuba Demokratienachhilfe anbietet. Fakt ist, das Thema Kuba hat die LINKE ereilt, nicht umgekehrt. Kuba solle nicht die falschen Freunde suchen, so Zimmer. Ja, wer will die schon.

* Ohne die Kommentare kommentieren zu wollen, sei zu der im Text genannten taz-Kolumne der heutigen Europaabgeordneten Gabi Zimmer angemerkt, dass diese bereits im Jahr 2003 erschienen ist. Es ist Gabi Zimmer also nicht vorzuwerfen, dass jetzt "die Aufregung auch im schönen Brüssel angekommen" sei, wie es in einem Kommentar bereits heißt. In der ersten Version des Textes von Uwe Kalbe war das Erscheinungsjahr der Kolumne nicht vermerkt, er erweckte also womöglich den Eindruck, es handele sich um eine aktuelle Stellungnahme Zimmers. Von einer Änderung ihrer Sicht auf das Problem ist der Redaktion allerdings nichts bekannt.

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