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Familienfreundlich

Kommentar von Jörg Meyer

  • Lesedauer: 2 Min.

Wenn jemand in eine mehrjährige Elternzeit geht, kann er oder sie nicht damit rechnen, bei anschließender Erwerbslosigkeit nach dem letzten vollen Gehalt Arbeitslosengeld zu erhalten. Stattdessen wird ein »fiktives Gehalt« errechnet, auf dessen Basis dann das Arbeitslosengeld gezahlt wird. Das gilt, wenn der oder die Betroffene in den zwei Jahren vor der Erwerbslosigkeit weniger als 150 Tage Gehalt bezogen hat. Diese Praxis der Agentur für Arbeit erfuhr am Donnerstag höchstrichterlichen Segen durch das Bundessozialgericht in Kassel. Verfassungsmäßig sei das überdies nicht zu beanstanden. Immerhin übernehme der Steuerzahler während der Elternzeit die Zahlungen für die Arbeitslosenversicherung, damit die Anwartschaft erhalten bleibe.

Dieses Urteil hinterlässt Fragen und einen bitteren Beigeschmack. Wenn die erwerbslosen Eltern ihr gekürztes Arbeitslosengeld mit Leistungen nach Hartz IV aufstocken müssen, zahlt doch auch der Steuerzahler, oder? Nachdem es bereits 2008 einen ähnlichen Fall gab, wurden gestern mehrere Fälle parallel verhandelt. Deutet die Zahl der Entlassenen – auf die Masse hochgerechnet – etwa daraufhin, dass Unternehmen bei weitem nicht so familienfreundlich sind wie gewünscht? Und wie geht der Richterspruch mit dem von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) vehement verteidigten Elterngeld zusammen, das Eltern die Zeit und Muße verschaffen soll, sich länger zu Hause um ihren Nachwuchs zu kümmern? Der kleine Koalitionspartner FDP lehnt das Elterngeld vehement ab. Heißt das etwa, dass Schwarz-Gelb seine Koalitionsstreitigkeiten jetzt übers Bundessozialgericht austrägt? Das wäre ja mal was!

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