Atomfreier Zustand wieder beendet

AKW Brokdorf geht wieder ans Netz / Kritik an Kieler Justizministerium

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
19 Tage lang war Schleswig-Holstein ohne Atomstrom. Das nach einem Trafoschaden per Schnellabschaltung vom Netz gegangene AKW Brokdorf hat nun aber die Wiederanfahrgenehmigung der Atomaufsichtsbehörde erhalten. In einer Landtagsdebatte wurde dies von der LINKEN, dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) und den Grünen scharf kritisiert.

Noch ist ungeklärt, warum es am 7. August zur Überhitzung und Gasentwicklung bei einem der zwei 25 Jahre alten Trafos gekommen ist, die zur Spannungsumwandlung des erzeugten Stroms ins Netz dienen. Experten sprechen sogar davon, dass schlimmstenfalls ein Brand wie beim AKW in Krümmel 2007 denkbar gewesen wäre. Dennoch sieht das atomrechtlich verantwortliche Kieler Justizministerium kein Problem darin, dem Betreiber E.on wieder den Betrieb zu gewähren.

Insbesondere die Ankündigung des Energiekonzerns, den Meiler nur mit einem betriebsbereiten Trafo und dafür nur mit halber Leistungskraft zu betreiben, stößt auf Widerstand. Atomrechtlich sei das einwandfrei, heißt es aus dem Ministerium. Vergleichende Fälle habe es bereits andernorts wie etwa beim Reaktor Unterweser gegeben. Für den SSW wird hier allerdings »unverantwortlich« gehandelt, die LINKE nennt es »fahrlässig«. Lars Harms (SSW): »Man kann ein Flugzeug mit halber Leistung fliegen, aber niemand würde auf die Idee kommen zu starten, wenn ein Triebwerk ausgefallen ist.«

Vor dem Hintergrund, dass zuletzt auch bei den Revisionsarbeiten in Brokdorf Unregelmäßigkeiten bei Brennelementen aufgetaucht sind, die bundesweit erstmals 2007 beobachtet wurden, zu denen es aber seitens der eingeschalteten Reaktorsicherheitskommission noch immer keine abschließende Bewertung gibt, hadern auch die Grünen mit der Entscheidung des parteilosen Justizministers Emil Schmalfuß. Die minimalen Verformungen der Brennelemente sorgten für Verzögerungen bei der turnusmäßigen Revision, befinden sich aber laut Aufsichtsbehörde noch im Toleranzbereich. Für die Grünen gibt es nach den unmittelbar nach Fuku-shima erfolgten »Stresstests« bei allen Meilern noch Handlungsbedarf in der Wilstermarsch. Die bei der Prüfung eingeräumte notwendige Weiterentwicklung des Notfallschutzes bei Einwirkungen von außen ist noch nicht erfolgt. Insbesondere geht es dabei um einen verstärkten Schutz gegen Hochwasser.

Unterdessen hat E.on nach heftiger Kritik seinen geplanten Jubelempfang zum 25. Jahrestag der Brokdorf-Inbetriebnahme am 1. September wieder abgesagt. Vor dem Hintergrund des Tschernobyl-Gedenkens und der Ereignisse in Japan hatte es beispielsweise die Umweltorganisation Robin Wood als »zynisch« kritisiert, hier eine Erfolgsgeschichte der Atomkraft zu feiern. Und weil E.on zum Monatsanfang einen massiven Personalabbau angekündigt hat, wurde seitens des Energieriesen nun doch entschieden, dass der vorgesehene Festakt auf dem AKW-Gelände wohl nicht in die Zeit passt. Daraufhin haben AKW-Gegner nun ebenfalls reagiert und alle bereits angekündigten Proteste wieder abgesagt.

Nach dem gesetzlich festgeschriebenen Atomausstieg soll das AKW Brokdorf spätestens Ende 2021 vom Netz gehen.


Pannen in Brokdorf

Seit Betriebsbeginn 1986 kam es immer wieder zu Zwischenfällen. Eine Auswahl:

  • August 2011: Defekt an einem der beiden Maschinentrafos vom Netz.
  • März 2011: Defekt an einer Pumpe des nuklearen Zwischenkühlsystems.
  • August 2009: Ausfall einer Regelklappe in einem nuklearen Zwischenkühlkreislauf.
  • März 2008: Brand durch Kurzschluss an einem Schalter einer Förderpumpe.
  • Juli 2007: Eine von vier Nebenkühlwasserpumpen muss abgeschaltet werden.
  • November 2006: Abschaltung wegen fehlender Halterungsstifte an Rohrleitungen.
  • März 2005: Bei einer Inspektion werden zwei defekte Notkühlpumpen festgestellt.
  • Juli 2003: Acht Haarrisse in den Regelstäben. ND
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