Fit in die Physikstunde

Sportliche Schüler bewältigen den Unterrichtsstoff besser

  • Renate Wolf-Götz
  • Lesedauer: 3 Min.
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass körperliche Fitness bei

Grundschülern zu besserer Leistung im Unterricht beiträgt. Darüber hinaus fällt Sport treibenden Kindern das Lernen leichter.

Am frühen Morgen geht das Sportprogramm der Schüler in der Berchtesgadener Christopherusschule schon los. Noch vor dem Unterricht lockt die natürliche Sportarena der um die über 1000 Meter hoch gelegenen Talentschmiede nahe dem Obersalzberg. Bis in die Abendstunden setzt sich das Trainingsprogramm des Sportlernachwuchses fort. Doch wo bleibt das Lernen? »Keineswegs auf der Strecke«, betont Hans-Wolf von Schleinitz, Vorstandsmitglied der Christopherusschulen. Im Gegenteil: »Eine gewisse Sportlichkeit und körperliche Fitness wirkt sich positiv auf die schulischen Leistungen aus«.

Das gilt beileibe nicht nur für die Sportskanonen in den bayerischen Bergen. »Wenn Eltern ihren Nachwuchs zu regelmäßiger sportlicher Betätigung anregen, fördern sie gleichzeitig Lernvermögen und Gesundheit schon der Kleinsten«, betont der Konstanzer Sportwissenschaftler Alexander Woll. Natürlich seien auch Kindergärten und Schulen gefordert. Bewegungsstunden unter fachlich kompetenter Anleitung sollten selbstverständlich zum Schulalltag gehören. Der Karlsruher Sportwissenschaftler Klaus Bös denkt noch einen Schritt weiter: »Bewegungsmangel im Kindesalter führt zu unbeweglichen Erwachsenen«, prophezeit der Leiter für Sport und Sportwissenschaft am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Längst sieht Bös im Bewegungsmangel eines der großen Gesundheitsprobleme unserer Zeit. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern hat er das Thema über längere Zeit unter die Lupe genommen und weit reichende Folgen ausgemacht. »Dazu gehören Haltungsschwächen, Koordinationsstörungen sowie psychosoziale Verhaltensauffälligkeiten«, fasst der Sportwissenschaftler zusammen. Gerade weil viele Kinder lieber ganze Nachmittage am Computer verbringen, werde der sportliche Ausgleich immer wichtiger. »Bisher reagieren Eltern aber nicht in aller Deutlichkeit auf die Veränderungen der letzten Jahrzehnte«, mahnt der Professor.

Die Gemeinde Bad Schönborn im Landkreis Karlsruhe dagegen hat reagiert. Seit nahezu zwei Jahrzehnten spielt sie eine Vorreiterrolle, wenn es um Studien zu Aktivität, Fitness und Gesundheit geht. Unter Federführung der Karlsruher Sportwissenschaftler und mit Unterstützung der AOK wurden bisher in mehreren Erhebungen die Fitnessdaten von Erwachsenen ab 35 Jahren erfasst. Jetzt haben die Experten auch Kinder im Alter von vier bis elf Jahren in ihre Studienprogramme einbezogen. Mit Zustimmung der Eltern haben zwei von drei Kindern der Grundschulen zweier Ortsteile Bad Schönborns an dem Projekt teilgenommen. Zwei Sportstudenten des Karlsruher Forschungszentrums für Schulsport und Sport von Kindern und Jugendlichen (FoSS) begleiteten die praxisnahe Forschungsarbeit. Letztendlich hängt der Erfolg der gezielten Bewegungsstunden nach Auffassung der Sportwissenschaftler Woll und Bös auch von entsprechend ausgebildeten Lehrkräften ab. »Vor allem die Art und Weise der Durchführung, die Regelmäßigkeit und Intensität der Bewegungsangebote sind von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, die motorische Entwicklung der Kinder positiv zu beeinflussen«, betont Bös. Man solle die »Heranwachsenden« ganz sprichwörtlich in ihren spezifischen Reifungs- und Entwicklungsprozessen sehen. Damit sich Knochen, Muskulatur, das Herz- und Kreislaufsystem und nicht zuletzt das Gehirn optimal ausbilden können, seien vielfältige Bewegungsanreize notwendig. Entsprechende vom FoSS entwickelte Programme mit Spielen und Übungen sind auf das noch wachsende Muskel-Skelett-System der jeweiligen Altersgruppen der Kindergarten- und Schulkinder abgestimmt. Farbenfrohe Spielgeräte, die dabei zum Einsatz kommen, regen die Bewegungsfreude zusätzlich an.

Neben der körperlichen steht die psychosoziale Entwicklung innerhalb des Forschungsprojekts im Vordergrund. Selbstbewusstsein zu erlangen sei dabei ein wichtiger Faktor. Die Kleinen müssten aber auch lernen, sportliche Enttäuschungen wegzustecken ohne gleich auszusteigen, sagt Sportwissenschaftler Woll aus Konstanz.

Die Gemeinde Bad Schönborn freut sich, dass die Universitäten Karlsruhe und Konstanz sowie die AOK das Projekt »Gesundheit zum Mitmachen« fortsetzen werden. Immerhin sind die Kinder in dem Kraichgau-Städtchen nach einer bundesweiten Motorikstudie im Vergleich zum Durchschnitt weniger übergewichtig. Allerdings trübt ein Wermutstropfen das Bild: Jedes zehnte Kind ist auch hier zu dick.

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