Kulturpalast-Revolte steht auf der Kippe

Architekt wehrt sich gegen Umbaupläne für markanten Dresdner Bau / Gericht bestellt Gutachten

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Stadt Dresden will den Kulturpalast, ein markantes Zeugnis der DDR-Architektur, zu einem Konzerthaus umbauen. Architekt Wolfgang Hänsch wehrt sich vor Gericht – und hat gute Chancen, das Vorhaben zu kippen.

Wie einzigartig ist der Kulturpalast in Dresden, und wie stark hebt sich der 1969 eingeweihte Bau am Altmarkt von vergleichbaren Häusern ab, in denen von Symphoniekonzerten über Unterhaltungsmusik bis zum Kammerspiel alle Gattungen zu Hause sind? Diese Frage muss ein Gutachter klären und dabei insbesondere die Beziehung zwischen dem Mehrzwecksaal und der äußeren Gebäudehülle in den Blick nehmen. Dies entschied gestern das Landgericht Leipzig auf Klage von Wolfgang Hänsch, dem Architekten des Kulturpalasts.

Hänsch wehrt sich vor Gericht gegen Pläne, die aus Sicht des 81-Jährigen einem »Schildbürgerstreich« gleichkämen: Umbauten am Kulturpalast, bei denen dieser einen völlig neuen Saal erhielte. Damit sollen vor allem die akustischen Eigenschaften des Konzertraums, über die Orchester wie die hier beheimatete Dresdner Philharmonie klagen, verbessert werden. Zugleich würde sich die Kapazität des Saales von 2400 auf 1800 Zuhörer verringern.

Allerdings handelte es sich um weit mehr als kosmetische Korrekturen. Sollen die Pläne, denen der Stadtrat seine Zustimmung erteilt hat, umgesetzt werden, müsste das Gebäude, das zu den markantesten Zeugnissen der DDR-Architektur gehört und als Baudenkmal geschützt ist, innen komplett entkernt werden. Stehen bliebe nur die Hülle, die über dem Natursteinsockel von einer großzügigen Fassade aus Aluminium und Glas bestimmt und von einem kristallin geformten Kupferdach gekrönt ist.

Hänsch, der in die Planungen nicht einbezogen war, sähe darin eine »unzulässige Entstellung« des von ihm mit Kollegen entworfenen Bauwerks. In Interviews bezeichnete er es auch als »fragwürdiges Unternehmen«, den funktionsfähigen Mehrzwecksaal zu zerstören, um an dessen Stelle einen reinen Konzertsaal einzubauen.

Damit würde sich die Nutzung des Gebäudes deutlich verändern. Der als Kulturhaus für die gesamte Bevölkerung konzipierte Palast wurde auch nach Ende der DDR als eine Art riesiger Stadthalle genutzt: Beethoven ist hier ebenso zu Hause wie Stars von Volksmusik und Schlager; die Solisten des Bolschoi-Balletts traten ebenso auf wie irische Steptänzer. Viele der populären Künstler sollen künftig in einer umgebauten Messehalle auftreten, einer »Blechschachtel«, wie Kritiker despektierlich sagen. Der neue Konzertsaal wäre dagegen überwiegend der klassischen Musik vorbehalten.

In der Stadt stößt das Vorhaben keinesfalls auf ungeteilte Zustimmung, obwohl im neuen Kulturpalast auch das Kabarett »Herkuleskeule« und die Bibliothek unterkämen. Ältere Bürger aus der Generation der Kulturpalast-Erbauer hängen ebenso an dem Gebäude wie jüngere Liebhaber der Architektur der Nachkriegsmoderne, die bedauern, dass viele ihrer Zeugnisse in Dresden stark umgebaut wurden, etwa die Prager Straße.

Im Stadtrat wehrten sich LINKE und SPD gegen den Umbau. Zwar sei »eine akustische Aufwertung zweifellos nötig«, erklärt André Schollbach. Der Fraktionschef der LINKEN plädiert aber dafür, den Palast weiter zu nutzen wie bisher: »Das Konzept funktioniert, und das Haus schreibt schwarze Zahlen.« Architekt Hänsch hatte selbst akustische Veränderungen vorgeschlagen. Daneben gab es Ideen für ein eigenes Konzerthaus, in dem Philharmonie und Dresdner Staatskapelle spielen könnten.

Das Rathaus hält diesen Plan für unfinanzierbar. Schollbach fürchtet indes, dass sich die Stadt auch mit dem Umbau überheben könnte. Das Rathaus rechnet mit 70 Millionen Euro; Kritiker gehen eher von 100 Millionen Euro aus. Die Hälfte der Mittel soll aus Fördertöpfen der EU kommen. Weil diese bis Mitte 2015 abgerechnet werden müssen, wird mit einer sehr knappen Bauzeit ab Sommer 2012 geplant. Überraschungen dürften dabei freilich nicht auftreten. Die Gerichtsentscheidung könnte die Pläne nun deutlich zurückwerfen. Sollte der Gutachter, den die Bundesarchitektenkammer bestellen soll, Hänsch eine gewisse »Schöpfungshöhe« zuerkennen, so dürfte dessen Anspruch aus dem Urheberrecht schwerer wiegen als das Interesse der Stadt am Umbau: Die Kulturpalast-Revolte fiele aus.

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