Klimaschutz im Bundeshaushalt?

Linkspolitikerin Eva Bulling-Schröter, Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, hält Zahlen für schöngerechnet

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Klimaschutz im Bundeshaushalt?

ND: Der Bundestag hat in erster Lesung über den Regierungsentwurf des Haushaltsgesetzes 2012 beraten. Wie sieht darin der Beitrag Deutschlands zum internationalen Klimaschutz aus? Auf Klima-Konferenzen gibt Kanzlerin Angela Merkel ja gern den Part des grünen Klima-Engels und pocht auf die Reduktion des CO2-Ausstoßes bei Ländern wie China und Indien.
Bulling-SchröterEin Blick in den Regierungsentwurf zum Haushalt zeigt ganz deutlich: Die Bundesregierung spielt mit falschen Karten. Als klar wurde, dass der UN-Klimagipfel in Kopenhagen Ende 2009 grandios scheiterte, wollte die Bundeskanzlerin der Öffentlichkeit zumindest einen kleinen Erfolg präsentieren. Im Kopenhagener Abkommen versprachen die Industrieländer als Verursacher des Klimawandels den Ländern des Südens großzügig Finanzhilfen zur Reduktion klimaschädlicher Emissionen und zur Bewältigung von Naturkatastrophen. Für die 30 Milliarden US-Dollar, die der Klub der reichen Länder von 2010 bis 2012 laut Abkommen »neu und zusätzlich« überweisen wollte, sagte Berlin 1,26 Milliarden Euro zu. Um dieses Versprechen einzuhalten, müssten im Haushalt jedes Jahr rund 420 Millionen Euro veranschlagt werden. Das passiert aber nicht.

Wie viel wird denn tatsächlich zusätzlich ausgegeben?
Den Bundesbuchhaltern über die Schultern geguckt, wird schnell klar: Hier wird mit Taschenspielertricks manövriert. Nur 152 Millionen werden von 2010 bis 2012 neu ausgegeben, zwölf Prozent der versprochenen Hilfe. Der Rest sind alte Zusagen, viel wird schöngerechnet.

Könnten Sie Beispiele nennen?
Nehmen Sie etwa die Internationale Klimaschutz-Initiative (IKI), die in ganz Afrika Kühlschränke mit Solarkraft oder in Mexiko Dächer mit Solarpaneelen finanziert. Das Geld wird über den »innovativen Finanzierungsmechanismus« des Emissionshandels eingespielt, der in der EU schon seit 2005 läuft. Nun könnte man meinen, es sei egal, woher das Geld kommt. Aber IKI ist bereits zwei Jahre vor dem Kopenhagener Versprechen aus der Traufe gehoben worden. Der größte Luftbuchungstrick sind die Zahlungen an die Klima-Investment-Fonds (CIFs) der Weltbank. Ohne mit der Wimper zu zucken, wird das als »zusätzlich« frisches Geld im Sinne des Kopenhagen-Versprechens deklariert. Im Haushalt sind für die CIFs seit 2010 jedes Jahr 75 Millionen Euro eingetragen. Doch die Zusage stammt von 2008, noch ein alter Hut. Bis 2013 sollen insgesamt 303 Millionen Euro fließen. Daraus speist sich unter anderem der Fonds für saubere Technologie. Entwicklungsländer bekommen Kredite für den Aufbau klimafreundlicher Wirtschaftszweige. Die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) besorgt sich auf dem privaten Kapitalmarkt Geld, verleiht es an politisch unverdächtige Länder wie Mexiko, Südafrika oder Kolumbien.

Hilfe für den Bau von Windrädern und Solaranlagen, das ist doch in Ordnung ...
Alternative Energien zu fördern, ist natürlich in Ordnung. Aber das sind Kredite, die von den Entwicklungsländern eines Tages, natürlich mit Zinsen, voll zurückgezahlt werden müssen. Was macht die Bundesregierung? Sie münzt gewöhnliche Kredite in einen Beleg für das offensichtlich gebrochene Versprechen von Kopenhagen um. Unter dem Klimaschutz-Deckmantel wird nicht nur viel Geld verliehen, bis 2013 eine halbe Milliarde Euro. Des Schummelns nicht genug wird mit KfW-Krediten auch noch die Entwicklungshilfequote aufgebläht, bei der Deutschland seit Jahren die zugesagten 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht erfüllt. Klima-Engel Merkel scheint der Rest der Welt ziemlich egal.

Fragen: Benjamin Beutler

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