Nahostquartett im Gegenwind

Vorbehalte gegen Vorschläge in Palästina / Linkspolitiker Gehrcke: Deutschland blamiert

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Der Antrag der Palästinenser auf UN-Vollmitgliedschaft sollte dem Friedensprozess im Nahen Osten neuen Schwung verleihen. Aber nun gibt es schon ersten Gegenwind – auch aus Palästina und der Autonomiebehörde selbst. Israel reagiert ebenfalls zurückhalten.

New York (dpa/AFP/ND). Nach einjährigem Stillstand wollten die Palästinenser mit ihrem UN-Aufnahmeantrag wieder Bewegung in den Nahost-Konflikt bringen. Das Nahostquartett forderte Israel und die Palästinenser auf, ihre Friedensgespräche binnen vier Wochen wieder aufzunehmen. Allerdings zeigte sich die Palästinenserführung unzufrieden mit den Vorschlägen. Sie will eine Entscheidung in den kommenden Tagen fällen. Eine Zustimmung oder Ablehnung Israels steht auch noch aus. Der Sicherheitsrat will sich bereits am heutigen Montag mit dem Antrag der Palästinenser auf Vollmitgliedschaft beschäftigen.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte am Freitag die UN-Mitgliedschaft eines Staates Palästina beantragt. Vorerst gibt es aber kaum Chancen auf Aufnahme, weil die USA mit ihrem Veto drohen, solange es keine Friedenslösung der Palästinenser mit Israel gibt. Die Reden von Abbas und Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vor der Vollversammlung hatten, trotz Beteuerung des Friedenswillens, aber deutlich gemacht, wie starr die Fronten sind.

Der Fahrplan des Nahostquartetts aus Vereinten Nationen, Europäischer Union, USA und Russland sieht vor, dass sich Israel und die Palästinenser gleich zu Beginn verpflichten, eine Lösung ihres jahrzehntelangen Konflikts bis Ende kommenden Jahres anzustreben. Ähnliche Zeitvorgaben hatten bereits in den vergangenen Jahren nicht zum beabsichtigten Durchbruch geführt.

Der neue Nahost-Fahrplan beinhaltet zudem, dass innerhalb von drei Monaten umfassende Vorschläge zu Grenzen und Sicherheit gemacht werden. Nach sechs Monaten solle es sichtbare Fortschritte geben, die dann auf einer internationalen Konferenz in Moskau festgeschrieben werden sollten.

Das Konzept sei »unvollständig«, sagte der Außenminister der Palästinenserbehörde, Riad Malki, der »Jerusalem Post« vom Samstag zufolge. Der Plan rufe nicht zu einem Ende des israelischen Siedlungsbaus auf und fordere auch keinen Rückzug auf die Grenzen vor dem Sechstagekrieg von 1967. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte diese beiden Punkte während seiner Rede vor der UN-Vollversammlung zur Bedingung für die Rückkehr zu Friedensgesprächen gemacht. »Das einzig Neue an dem Vorschlag ist ein Zeitplan, um über Sicherheit und Grenzen zu sprechen«, sagte Malki. Auch Abbas wies den Vorschlag des Quartetts am Samstag mit einer analogen Begründung zurück. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu besteht jedoch auf Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen. »Wer wirklich Frieden will, muss alle Vorbedingungen beiseite legen«, sagte er am Sonntag dem US-Fernsehsender NBC.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle warnte vor einer neuen Welle der Gewalt im Nahen Osten als Folge des palästinensischen UN-Antrages. Jede Eskalation müsse vermieden werden, sagte Westerwelle am Rande der UN-Vollversammlung. »Der Weg zum Frieden und zu einer gerechten Zwei-Staaten-Lösung führt über Verhandlungen, Deutschland bemüht sich nach Kräften, dass die EU in dieser Frage geschlossen handelt.«

Bei einer Unterrichtung der außenpolitischen Obleute der Bundestagsfraktionen habe Westerwelle von einer »unmittelbaren, scharfen Konfrontation« in der Generalversammlung gesprochen, erklärte der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Wolfgang Gehrcke, gegenüber ND. Diese Konfrontation, so Gehrcke, liege in der Sache selbst begründet. Die Palästinenser hätten ein Recht auf einen unabhängigen Staat und wer glaubte, Mahmud Abbas dieses Recht »abhandeln oder abpressen« zu können, habe sich getäuscht. Gehrcke ist der Meinung, Deutschland habe sich abermals »außerordentlich blamiert«, indem es sich hinter den neuen Vorschlag des Nahostquartetts stellte, der deutlich hinter der einstigen »Roadmap« zurückbleibe und keine politischen Eckpunkte und Zielvorgaben enthalte. Kommentar Seite 4

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