Autobahn auf dem Parkstreifen

Grüne sehen keine Bundesmittel für A 100 fließen / SPD mahnt Verlässlichkeit des künftigen Partners an

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Von den unverrückbaren Grundsätzen waren bis zum Montagabend die Verlängerung der Berliner Stadtautobahn A 100 und eben genau die Ablehnung des Baus die festesten. Nun setzte sich bei Rot und Grün erst einmal der Wille zum gemeinsamen Regieren durch – die Autobahn geriet auf einen politischen Parkstreifen.

Die Verhandlungen von SPD und Grünen zur Bildung einer Koalition, die Rot-Rot in Berlin beerben soll, haben noch nicht begonnen. Doch schon in den Sondierungen holten die Sozialdemokraten ihren ersten großen Punkt. Die A 100 wird gebaut. Das Projekt wird eben »nicht grundsätzlich aufgegeben«, heißt es. Genau das wurde freilich zuvor von den Grünen strikt gefordert.

Nun wird die Verantwortung an den Bund delegiert. Gibt er die 420 Millionen Euro allein für den Bau und nicht für etwas anderes, dann wird gebaut. Wenn nicht, dann ließe sich auch die SPD auf eine Umwidmung ein. Dazu müssten die Gelder ebenfalls fließen, nur in Vorhaben wie die Autobahn-Infrastruktur oder den Lärmschutz. Die SPD mag freilich nicht glauben, dass der Bund da mitmacht.

Doch sieht der Berliner Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann den Kompromiss zur A 100 als Erfolg und Chance der Grünen. Der Weiterbau werde schon daran scheitern, dass gar keine Bundesmittel fließen werden, sagte Ratzmann im RBB. 2012 seien die Mittel nicht im Bundesverkehrswegeplan eingestellt. 2013 werde es auch keinen Euro vom Bund geben, weil da Bundestagswahl sei.

Sein SPD-Kollege Michael Müller, Landesvorsitzender der SPD und starker Mann hinter dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, mahnte die Grünen zu Verlässlichkeit bei den vereinbarten Verkehrsprojekten. »Es muss vor Beginn der Zusammenarbeit klar sein, dass man da nicht wackeln darf«, betonte er. Deshalb sei auch ganz klar, wenn die Verhandlungen über das Umwidmen der Bundesgelder keinen Erfolg habe, »dann wird die Autobahn gebaut. Wir wollen die Mittel für die Stadt sichern.«

»Das angebliche Aufschieben des A 100-Baus ist Wahlbetrug«, findet der Berliner Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich (LINKE). »Wer den Grünen geglaubt hat, wird sich leider asphaltgrau ärgern.« Die LINKE hatte in der rot-roten Regierung noch verhindert, dass eine Entscheidung für die Verlängerung der Stadtautobahn bereits vor der Abstimmung am 18. September gefällt wird.

Noch freut sich allerdings der Berliner Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) über die »Chance, die überfällige ökologische Modernisierung Berlins voranzutreiben«. Er hofft weiter auf ein »finanzierbares und stadtverträgliches Infrastrukturkonzept unter Verzicht auf unsinnige Großprojekte«. Es gehe nicht darum, den Stau zu verlagern, sagte Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser, sondern um die Beseitigung von Schlaglöchern. Lärmschutzwände und Flüsterasphalt sollten den Berlinern wieder ruhigeren Schlaf gestatten.

Das mag die Wirtschaft so nicht ganz unterschreiben. Die A100 sei ein »unverzichtbares Infrastrukturprojekt«. Damit werde auch die Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur im Ostteil der Stadt spürbar gesteigert, erklärte die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e.V. (UVB). Es gehe nicht einfach nur um Bundesgeld. Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck warnte: »Bei einem so bedeutenden Infrastrukturprojekt darf die Politik deshalb nicht auf Zeit spielen.«


Hin und Her

Im Jahre 2003 beschloss der Bundestag den Bundesverkehrswegeplan. Darin ist die A 100 mit 3,2 Kilometern Länge als vordringliches Vorhaben enthalten. Der Bedarf war noch von der Großen Koalition unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) angemeldet worden.

Die Grünen sperrten sich von Anfang an gegen den Bau, machten seine Verhinderung zu einem grundsätzlichen Punkt in ihrem Wahlprogramm. Sogar eine Koalition hätte daran scheitern sollen.

Bei Rot-Rot ging es mehrfach hin und her. SPD-Parteitage sprachen sich erst gegen, zuletzt 2010 wieder für die A 100 aus. Die LINKE blieb nach Zustimmung zuletzt bei Ablehnung. khe

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