Faustdicke Kriegslügen

  • Peter Strutynski
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Kasseler Politikwissenschaftler ist Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag.
Der Kasseler Politikwissenschaftler ist Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag.

Gestern jährte sich zum zehnten Mal der Beginn des US-Kriegs gegen Afghanistan, dem sich die Bundesrepublik Deutschland bereitwillig angeschlossen hatte. Der Krieg war mit faustdicken Lügen gepflastert. Ging es zunächst angeblich um die Organisierung dessen, was George Bush den »Krieg gegen den Terror« nannte, so wurden im Laufe der Zeit zusätzliche »Begründungen« nachgeschoben. So versprachen die Interventionsmächte, Afghanistan Wohlstand und Demokratie zu bringen. Die fast völlige Abwesenheit garantierter universeller Menschenrechte legte es nahe, den Fokus auf den Menschenrechtsdiskurs zu legen. Eine prominente Rolle nahm dabei die Stellung der Frau in Afghanistan ein. Sieht man sich Berichte diverser Menschenrechtsorganisationen an, so werden Gewalt gegen Frauen, Zwangsheiraten minderjähriger Mädchen, Bildungsdiskriminierung sowie der Zwang zur Ganzkörperverschleierung thematisiert. Also wurde der Krieg als Kampf um die Befreiung der Frau verkauft. Das Ergebnis ist nach zehn Jahren Krieg ein totales Desaster. Von Frauenrechten kann keine Rede sein, die Analphabetenquote ist heute nicht geringer als 2001, die Jugendarbeitslosigkeit stark angestiegen, immer größere Teile der Bevölkerung leiden an Hunger und der Terrorismus konnte weltweit keineswegs eingedämmt werden. Das einzige, was blüht in Afghanistan, sind Mohnanbau und Korruption.

Eine Lüge ist auch der von der Kriegsallianz in die Welt gesetzte magische »Abzugs«-Termin 2014. Die Großmächte werden dort bleiben. So wollen die USA mit dem afghanischen Präsidenten Karzai einen Vertrag aushandeln, der ihnen eine Reihe wichtiger Stützpunkte im Land sichern soll. Diese Stützpunkte würden Washingtons Einfluss im energiereichen Zentralasien, aber vor allem in Afghanistans Nachbarländern Iran und Pakistan stärken. Dazu sind drei bis fünf Stützpunkte vonnöten: Bagram, das derzeitige US-Hauptquartier, 75 km nordöstlich von Kabul, Kandahar im strategisch wichtigen Süden und Masar-i-Scharif im Norden. Auf der Wunschliste der Militärs stehen auch Shindand im Westen (nahe Irans Grenze) sowie Dschalalabad im Osten Afghanistans - eine Art Sprungbrett für Operationen Richtung Pakistan. Andere Nationen, die sich heute am Krieg beteiligen, werden sich ebenfalls schadlos zu halten versuchen. So gibt es jede Menge Konzessionen für Pipelines oder Schürfrechte zu ergattern. Letztlich geht es um die Kontrolle über die an Bodenschätzen, Öl und Erdgas reiche und strategisch so wichtige zentralasiatische Region. Wer in der Weltpolitik des 21. Jahrhunderts eine führende Rolle spielen möchte, muss, einem Diktum Brzezinskis zufolge, das »eurasische Schachbrett« beherrschen - und dazu ist Afghanistan ein Schlüsselfeld.

Die Bürger der Interventionsstaaten sind mit dem Krieg nicht einverstanden. Selbst in den USA sind heute 62 Prozent der Bevölkerung für den sofortigen Abzug der US-Truppen. So könnte das Kontrastprogramm zum endlosen Krieg der Großmächte aussehen: sofortiger Waffenstillstand sowie unverzüglicher und bedingungsloser Abzug der Bundeswehr und der anderen Besatzungstruppen. Tod und Zerstörung würden gestoppt und Ressourcen der Kriegskoalition könnten für den Wiederaufbau des Landes eingesetzt werden. Damit würden längst nicht alle, aber wichtige Voraussetzungen für Frieden und Entwicklung geschaffen. Und die Afghanen würden ihre Souveränität zurück gewinnen.

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