Seehofer hat ernste Konkurrenz

Die SPD könnte mit Spitzenkandidat Ude der CSU gefährlich werden

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Christdemokraten könnte in Bayern das gleiche Schicksal wie die christlichdemokratische Schwesterpartei in Baden-Württemberg ereilen: von einer Allianz der Oppositionsparteien abgelöst zu werden.

Seit Münchens Oberbürgermeister Christian Ude herabgestiegen ist, um seine Partei in den siebten Himmel zu heben, zählt man in Bayern anders. Zum ersten Mal bekommt Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) mit dem Sozialdemokraten Ude als Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2013 ein wirkliches Gegengewicht, was Bekanntheitsgrad, Ansehen und politische Reputation anbelangt. Die bayerische SPD, bei der letzten Wahl mit 18,6 Prozent abgeschlagen, frohlockt: Es sei ein richtiger Stimmungswechsel in Bayern zu spüren, meint der SPD-Landeschef Florian Pronold.

Nein, noch ist es nicht so, dass an der Grenze von Bayern zu Baden-Württemberg wieder Schlagbäume errichtet werden. Sie könnten es wohl auch nicht aufhalten, das Gespenst des Politik- und Machtwechsels. Und droht so jetzt auch der weiß-blauen das Schicksal der christlichdemokratischen Schwesterpartei im Ländle, nach Jahrzehnten durch eine Allianz der Oppositionsparteien abgelöst zu werden? Immerhin: Laut einer Forsa-Umfrage von Ende August lag die CSU nur mehr bei 41 Prozent der Wählerstimmen, SPD, Grüne und Freie Wähler zusammen bei 47 Prozent. Bei einer Direktwahl läge Ude mit 42 Prozent sogar vor Seehofer. Nach 50 Jahren CSU-Dominanz mit 50-Prozent-Mehrheiten machen Rechenübungen in Bayern wieder Sinn.

Deren Grundlage ist der Verlust der Mehrheit durch die CSU. Der Parteitag in Nürnberg hat mit der Abwehr des Eurokritikers Peter Gauweiler gerade noch verhindert, dass das Bild der Geschlossenheit einen tiefen Sprung bekam. Doch seit dem Landesbankdebakel und der Euro-Krise fällt ein dunkler Schatten auf das, was die Partei früher wie eine Monstranz vor sich hertrug: die angebliche wirtschaftliche Kompetenz. Und Parteichef Seehofer ist eher ein Nachlassverwalter der früheren Macht denn eine Lichtgestalt. Ude, der in Karikaturen gern als der Sonnenkönig von Bayern dargestellt wird, ist - landespolitisch gesehen - unverbraucht, freilich auch eher fern von Dung und Scholle, also den bäuerlichen Wählern. Doch er vermittelt genug Bürgerlichkeit und Wirtschaftsfreundlichkeit, um auch als Sozialdemokrat im Freistaat wählbar zu sein.

Stolperstein Startbahn

Doch zum Machtwechsel bedarf es mehr Parteien als der SPD und zur Wirtschaftsfreundlichkeit Udes gehört auch die Zustimmung zur geplanten dritten Startbahn des Münchner Flughafens. Wie das zusammengeht, wird noch ein spannendes Schauspiel im Wahlkampf werden, zuvor muss Ude zudem die eigene Partei auf Kurs bringen. Nicht ganz so einfach wird es mit den bayerischen Grünen werden, sollte die Startbahn jemals Gegenstand von Koalitionsverhandlungen werden. Zwar konstatierte der grüne Landesvorsitzende Dieter Janecek schon mal eine »CSU-Dämmerung«. Doch Ude solle »sich darauf einstellen, dass er mit den Grünen einen Koalitionspartner hätte, der nicht nur eine andere Mehrheit, sondern eine andere Politik in Bayern will«, und die Startbahn gehört nicht dazu.

Piratenjoker

Auch die Freien Wähler (FW) versichern, man werde »für die dritte Startbahn nicht die Hand heben«, so FW-Fraktionsvorsitzende Hubert Aiwanger, lieber bleibe man in der Opposition. Jedenfalls wolle man kein »billiger Mehrheitsbeschaffer« sein, weder für Ude noch für Seehofer. Nach dem »völligen Scheitern« gehöre die schwarz-gelbe Regierung abgelöst, doch eine klare Koalitionsaussage seitens der Freien Wähler gibt es nicht.

Die CSU selbst gibt sich trotz der veränderten Kandidaten-Situation zuversichtlich, auch die FDP will an ihren Wiedereinzug in den bayerischen Landtag glauben, auch wenn Umfragen sie unter der Fünf-Prozent-Hürde sehen.

Ein Joker im kommenden Wahlpoker könnte die bayerische Piratenpartei sein. Deren Mitgliederzahlen gehen seit dem Wahlerfolg in Berlin in die Höhe. Jeden Tag erreichten den Landesverband 20 neue Anträge, so Landesgeschäftsführer Aleks Lessmann. Bevor die Partei aber überhaupt antreten kann, muss sie die Hürde von 8200 gesammelten Unterschriften nehmen, daran ist sie 2008 gescheitert. Die aktuelle Trojaner-Affäre ist freilich Wasser auf die Mühlen der weiß-blauen Piraten.

Auch die bayerische LINKE hält einen Machtwechsel für realistisch und »an uns würde es nicht scheitern«, so Landessprecherin Eva Mendl. Fraglich sei aber, ob Ude als Herausforderer zwei Jahre durchhalten könne. Mendl bekräftigte die Absicht ihrer Partei, als »Oppositionskraft in den Landtag einzuziehen«, auch wenn derzeit die Prognosen nicht so günstig seien. 2008 hatte die LINKE mit 4,4 Prozent der Stimmen den Einzug verfehlt.

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