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Der Knecht
Joachim Schwalbach ist Professor und erbringt bei Bedarf Kommunikationsleistungen
In Zeiten, in denen Rüstungskonzerne Lehrstühle für Raumfahrttechnik sponsern und Hörsäle womöglich bald nicht mehr »Saal A« und »Saal B« heißen, sondern vielleicht »Beck's-Auditorium« oder »Google-Room«, sollte man sich über die alltägliche Verschmelzung von Wissenschaft und Reklame nicht wundern. Warum sollte ein Student heute verstaubte Marx-Bände lesen, wenn er seinen Abschluss mit dem Abschreiben von ein paar Statistiken machen und nebenbei seinen künftigen Arbeitgeber kennenlernen kann: Daimler-Chrysler, Siemens, BASF. Auch an den Hochschulen muss Business gemacht werden.
Wie die »Taz« berichtete, wollte vor der letzten Bundestagswahl das »Atomforum« mit einer »wissenschaftlichen Studie« Einfluss auf die Öffentlichkeit nehmen. Die Lobbyorganisation der deutschen Atomkonzerne wird sich wohl gedacht haben: Wer wäre für solcherart Business geeigneter als der hochrenommierte Professor Joachim Schwalbach, der an der Humboldt-Universität ein »Institut für Management« leitet, wo er unter anderem über so wichtige Gegenstände wie »Business & Society« forscht und lehrt? Und so hatten sich zwei gefunden: ein Society-Professor, der sein schmales Professorengehalt aufzubessern gedachte, und das Atomforum, das eine »Studie« brauchte, die man bei Bedarf hin- und herschwenken kann, um den Beweis zu führen, dass Atomkraft hierzulande so unverzichtbar ist wie Fußball und Bier. Perfekte Synergien, eine Win-Win-Situation.
Auch für andere private Konzerne soll der Professor fragwürdige Gefälligkeitsgutachten gefertigt haben. Das Atomforum beendete jedoch die Zusammenarbeit mit Schwalbach, der zu offensichtlich als dienstbarer Wissenschaftsknecht agierte. Das vorläufige Ergebnis der Studie, die erstellt werden sollte, stand schon fest: Zu einer »Verlängerung der Restlaufzeiten der Kernkraftwerke« gebe es »keine volkswirtschaftlich zu rechtfertigende Alternative«. Das vereinbarte Entgelt, 135 000 Euro, sollte übrigens an die PR-Firma von Schwalbachs Ehefrau Astrid Drabant-Schwalbach gehen, derzufolge es sich nicht um eine Studie, sondern um eine »Kommunikationsleistung« handelte.
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