Falschmeldung auf Usedom

Als Umweltausgleich für die Ostsee-Pipeline sollte ein Okö-Projekt dienen. Daraus wird nun nichts

  • Martina Rathke, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Zum Ausgleich für Umweltschäden durch die Ostsee-Pipeline plante Nord Stream ein millionenschweres Umweltprojekt bei Peenemünde auf Usedom. Doch daraus wird nichts, weil das Gelände munitionsverseucht ist. Umweltschützer bestehen jedoch auf einem Ausgleich.

Stralsund/Peenemünde. Die Ostsee-Pipeline Nord Stream ist seit einer Woche in Betrieb - trotzdem müssen sich die Behörden nochmals mit dem Genehmigungsverfahren für das Vorhaben beschäftigen. Hintergrund ist das gescheiterte Umweltausgleichsprojekt im Norden der Insel Usedom, wo die Nationalsozialisten bis 1945 für die Entwicklung ihrer V2-Waffen eine Raketenschmiede betrieben.

»Es muss dringend für den Bau der Ostsee-Pipeline ein adäquater Umweltausgleich gefunden werden«, sagt der Leiter des WWF-Ostseebüros, Jochen Lamp. Es sei skandalös, dass das einstige Militärgebiet überhaupt als Ausgleich angeboten wurde, obwohl es zu 90 Prozent munitionsbelastet sei.

Wegen der hohen Munitionsbelastung hatte das Bergamt Stralsund das Nord-Stream-Umweltprojekt in Peenemünde im vergangenen Sommer kurzfristig gestoppt. Auf dem 125 Hektar großen Areal sollte der Betreiber der 1200 Kilometer langen Pipeline für mehr als fünf Millionen Euro eine Lagunenlandschaft schaffen, die dem Naturzustand von etwa 1850 entspricht. Die Nationalsozialisten hatten beim Bau der Raketenschmiede rund 450 000 Kubikmeter Sand und Erde für einen Flugplatz aufgeschüttet. Diese Aufschüttung sollte wieder abgetragen werden.

Obwohl bekannt war, dass das Gebiet bei Luftangriffen der Alliierten bombardiert wurde und nach Kriegsende als Luftbodenschießplatz von NVA und sowjetischenTruppen genutzt wurde, galt es bei den Landesbehörden bis zum Frühjahr als kampfmittelfrei. Der Leiter des Munitionsbergungsdienstes, Robert Mollitor, beruft sich auf Unterlagen aus den Jahren 1993 und 1994 der damaligen Bundeswehr-Standortverwaltung, in denen das Areal als »beräumt« eingestuft wurde. Mit diesem Status sei das Gebiet in die Karten eingetragen worden, sagte Mollitor.

Wie sich herausstellte, war die Einschätzung der Bundeswehr falsch. Bei einer Testsondierung unmittelbar vor Beginn des Nord-Stream-Projektes stießen die Munitionsberger auf scharfe und hochgradig explosive Geschosse. Das Gelände wurde in die Kategorie 4 »Kampfmittelbelastung - Beseitigung erforderlich« eingestuft. Jegliche Tiefbauarbeiten wurden untersagt. Das Bergamt und Nord Stream brüten nun über alternative Vorhaben, doch die dürften schwer zu finden sein. Denn in Mecklenburg-Vorpommern gibt es einen Mangel an Kompensationsflächen im Küstengebiet. Der Umweltverband WWF befürchtet, dass Nord Stream nun mit Ausgleichszahlungen das Problem loswerden könnte. »Man kann sich nicht mit Geld freiwaschen«, sagt Lamp. Leidtragender sei in jedem Falle die Natur. Auch wenn ein geeignetes Gebiet gefunden werde, dauere das Genehmigungsverfahren bis zu fünf Jahre. Jahre, in denen real nichts passiere. »Da ist etwas richtig schiefgelaufen.«

Nord Stream betont, einer »Realkompensationsmaßnahme« den Vorrang geben zu wollen. Einige Varianten seien bereits ins Auge gefasst, sagt Nord-Stream-Sprecher Steffen Ebert. Naheliegend wäre eine Munitionsberäumung in Peenemünde. Doch das sehen die Gesetze als marinen Ausgleich nicht vor.

Auch die Fast-Eigentümer, die DBU Naturerbe GmbH, eine Tochter der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), wollen auf die Beseitigung der Altlasten verzichten. Dieser Eingriff würde die Flora und Fauna zerstören, die sich in den vergangenen Jahrzehnten nahezu ungestört entwickeln konnten, sagt DBU-Prokurist Josef Feldmann. Inzwischen wurden Schilder aufgestellt, die vor den Kampfmitteln warnen. Ob das ausreicht, müssen die Ordnungsbehörden prüfen.


Peenemünde

Im Norden der Ostseeinsel Usedom bei Peenemünde entstand ab 1936 ein militärisches NS-Großforschungsprojekt zum Bau raketenbetriebener Bomben. Rund 13 000 Ingenieure, Techniker und Militärangehörige arbeiteten dort bis 1945 an der Entwicklung der V2-Waffe. Auch Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge wurden eingesetzt. Allein im nahen Karlshagen waren bis zu 1200 Männer aus 12 Nationen untergebracht. (dpa)

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