Mehr Wettbewerb bei der Bahn

EU-Parlament beschließt weitere Liberalisierung

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 2 Min.
Nach monatelangem Tauziehen hat das Europaparlament mit breiter Mehrheit eine als »Recast« bezeichnete umstrittene Neufassung des Ersten Eisenbahnpakets verabschiedet.

Kernpunkte des Pakets sind Schritte zur weiteren Liberalisierung des Sektors und ein »diskriminierungsfreier Zugang« für neue Anbieter zu Infrastruktur- und Serviceleistungen. Davon betroffen sind Bereiche wie Wartung, Reparatur, Ticketverkauf oder Kundeninformation. Das Paket sieht auch eine Stärkung der Position der für Marktzugang und Wettbewerb zuständigen Regulierungsbehörden gegenüber den für die Überwachung der betrieblichen Sicherheit zuständigen Behörden vor.

Konservative, Grüne und Sozialdemokraten im Parlament begrüßten den Schritt zur weiteren Liberalisierung. Kritik kam von den Bahngewerkschaften: »Liberalisierung bedeutet schlechtere Lohnbedingungen und bedingungslosen Konkurrenzkampf auf dem Rücken der Beschäftigten«, sagt Guy Greivelding von der Europäischen Föderation der Transportarbeiter. Hauptnutznießer sei der Lkw-Verkehr mit schlechteren Arbeitsbedingungen und höheren gesellschaftlichen Folgekosten.

Beim »Recast« gehe es »offensichtlich darum, den privaten Konzernen im Eisenbahnsektor ihre Profite zu sichern«, so die deutsche EU-Abgeordnete Sabine Wils (LINKE) in der Debatte im Straßburger Parlament. »Mit der Möglichkeit der Unterauftragsvergabe und Privatisierung von Rangierbahnhöfen und Instandhaltungswerken sowie deren Betrieb durch private branchenfremde Unternehmen sollen die integrierten öffentlichen Eisenbahnunternehmen zerstört werden.«

Obwohl die Praxis in Großbritannien bereits gezeigt habe, dass dieser Weg falsch sei, solle dieser EU-weit beschritten werden. Der Eisenbahnsektor sei aber »ein zusammenhängendes Gesamtgefüge, das nicht in marktradikale und profitorientierte Einzelteile zerlegt werden darf«, kritisierte Wils und forderte auch für die Zukunft, dass die Bahnen »gesellschaftlich, wirtschaftlich und ökologisch gesteuert werden«.

Der ursprüngliche Entwurf der EU-Kommission vom Herbst 2010 hatte auf eine komplette Zerschlagung der bisher staatlichen Bahnkonzerne mit ihrer Holdingstruktur und eine radikale Trennung zwischen Infrastruktur- und Transportgesellschaften abgezielt. Diese Fragmentierung findet nun auf buchhalterischer und organisatorischer Ebene statt.

Nicht durchsetzen konnte sich die Kommission mit einer Aushöhlung des Streikrechts durch den Zwang, bei Arbeitskämpfen sogenannte Mindestdienstleistungen zu verordnen. Allerdings lässt die Kommission nicht locker und will 2012 mit neuem Paket einen weiteren Anlauf nehmen.

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