Bürgerrechtler ante portas

Kommentar von Hans-Dieter Schütt

  • Lesedauer: 2 Min.

Der Bürgerrechtler? Ein Museumsstück. Er steht in DDR-Ausstellungen, dort hebt er noch immer für andere, die hinter Gardinen ihre Fäuste ballen, das Schild: »Wir sind das Volk!« Er trat, genau genommen, vereinzelt auf. Etwas kollektiver wurde dieses Wesen erst, als die Gefährlichkeit, gegen Machtpartei und Parteimacht aufzustehen, geringer wurde. Als die Mauer fiel, schien der Bürgerrechtler auszusterben. Er starb an der westlichen Demokratie, die ihn überflüssig machte.

Totgesagte leben länger. Sagte schon Erich Honecker, der den Begriff des Bürgerrechtlers so definierte: Wir haben für alle Bürger recht, denn die Partei hat immer recht. Leider machen heute viele, die ganz oben was zu sagen haben, inzwischen den gleichen Eindruck wie er. Das bringt diesen nicht wieder - aber: den Bürgerrechtler! Er wird, spätestens seit Stuttgart 21 und verstärkt mit den Bewegungen gegen Kapital und Krieg, wieder im Munde geführt. Zeitungen verwenden dieses Wort noch scheu, als bedienten sie sich des Vokabulars einer fremden Sprache. Bürgerrechtler. Klingt wie ein Gerücht, ist aber schon die handfeste Wahrheit von morgen: Der wahrhafte Demokrat ist der außerparlamentarische Oppositionelle, der mehr vom Dissidenten als vom Repräsentanten hat. Oder wahrer Repräsentant ist: Für andere, die hinter den Gardinen nicht mal die Fäuste ballen, hebt er Stirn und Stimme.

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