Bohrtürme hinterm Chiemsee

Pläne zur Erdgassuche beunruhigen Bürger im bayerischen Landkreis Rosenheim

  • Paul Winterer, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei den Bewohnern rund um die Eggstätter Seenplatte regt sich Unmut: In der Gegend soll nach Erdgas gebohrt werden. Die Bürger fürchten, dass das Grundwasser verunreinigt werden könnte und es Probleme für den Tourismus gibt.
Idyllische Landschaft: der Chiemgau im Südosten Bayerns
Idyllische Landschaft: der Chiemgau im Südosten Bayerns

Breitbrunn/Wien. Eine geplante Erdgas-Probebohrung in der Nähe des Chiemsees beunruhigt die Bewohner in der Region. Sie haben sich in einer Initiative »Gegen Gasbohren am Langbürgner See« zusammengeschlossen. Das Gewässer gehört zur Eggstätter Seenplatte. Das aus mehreren kleinen Seen bestehende Naturschutzgebiet ist bei Einheimischen und Urlaubern gleichermaßen als Badeplatz beliebt. Die österreichische Rohöl-Aufsuchungs-Aktiengesellschaft (RAG Austria) mit Sitz in Wien plant dort im Frühjahr 2012 Versuchsbohrungen. In bis zu 3000 Metern Tiefe werden reichhaltige Gasvorkommen vermutet - bis zu 300 Millionen Kubikmeter.

Benzolverseuchtes Wasser

In einem Schreiben forderte die Bürgerinitiative die RAG dieser Tage auf, das laufende Genehmigungsverfahren auszusetzen. Erst müssten die Bürger die Gelegenheit haben, selbst Alternativstandorte für die Probebohrung vorzuschlagen. Diese Idee hatte das Unternehmen bei einer Informationsveranstaltung ins Spiel gebracht, ohne allerdings Kriterien für andere Orte zu nennen.

Den Betreibern wirft die Bürgerinitiative vor, hinter ihrem Rücken das Genehmigungsverfahren beantragt zu haben. Sie verlangt eine Umweltverträglichkeitsprüfung und umfassende Bürgerbeteiligung. Der Bohrplatz grenze an ein Wasserschutzgebiet, »das für die Trinkwasserversorgung Tausender Bürger im Landkreis Rosenheim geradezu lebenswichtig ist«, heißt es in dem Schreiben.

Die Bürgerinitiative erinnerte die RAG-Vorstände daran, dass erst vor wenigen Tagen bei einer vergleichbaren Erdgasbohrung in Niedersachsen benzolverseuchtes Lagerstätten-Wasser ins Erdreich eingedrungen sei und das Grundwasser verseucht habe.

Zu einer Infoveranstaltung der RAG kamen kürzlich rund 400 Interessierte und machten ihrem Unmut Luft. Sie befürchten Einbußen im Tourismus durch die Bohrtürme. Auch Geruchsbelästigung durch Gas wird nicht ausgeschlossen. Sorge bereitet den Anwohnern zudem, dass das Genehmigungsverfahren dem Bergrecht unterliegt, bei dem es kaum Mitwirkungsrechte der Bürger gibt und das selbst die betroffenen Kommunen außen vor lässt.

Die Initiative forderte die RAG daher außerdem auf, von sich aus einen anderen Standort an einer weniger sensiblen Stelle zu suchen. »Sie müssen davon ausgehen, dass gegen den geschlossenen Widerstand der Bevölkerung und der politischen Gremien die geplante Erdgasbohrung hier nicht durchsetzbar sein wird«, schrieben die Gegner.

Eine Firmensprecherin sagte auf Anfrage, man suche den Dialog mit den Bürgern. Dazu solle es ein Gespräch hinter verschlossener Tür mit den Sprechern der Bürgerinitiative geben. »Dort wollen wir gemeinsam nach Lösungen suchen«, sagte die Sprecherin.

340 Millionen Umsatz

Die RAG sucht seit 75 Jahren nach Erdöl und -gas. Ihr Umsatz lag im Jahr 2010 bei 340 Millionen Euro. Das Unternehmen beschäftigt rund 400 Mitarbeiter. Gefördert werden soll der Rohstoff im Erfolgsfall von der Bayerngas.


Geschützte Toteislöcher

Die Eggstätter Seen sind eine Gruppe von 18 Einzelseen mit einer Gesamtfläche von rund 3,5 Quadratkilometern nordwestlich des Chiemsees. Die Seenplatte gilt als eine der bedeutendsten Eiszerfallslandschaften des bayerischen Alpenvorlandes. Ein Teil dieser Landschaft im Landkreis Rosenheim bildet das älteste Naturschutzgebiet Bayerns. Die größten fünf Seen, darunter der Langbürgner See als Herzstück des Naturschutzgebietes, sind untereinander durch Wasserläufe mit geringem Gefälle nach Norden verbunden. Es handelt sich um grundwassergespeiste Toteislöcher ohne nennenswerten oberirdischen Zufluss. (nd)

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