OSZE weiter auf der Kriechspur

Russlands Vorschlag für neuen Sicherheitsvertrag wird blockiert

  • Hans Voß
  • Lesedauer: 3 Min.
In der litauischen Hauptstadt Vilnius trafen sich die Außenminister der OSZE-Staaten zu ihrer jährlichen Begegnung. Das Ergebnis ist enttäuschend.

In der litauischen Hauptstadt Vilnius kamen in dieser Woche die Außenminister der Mitgliedstaaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu ihrer jährlichen Begegnung zusammen. Das Treffen erzeugte allerdings keinen Schub für die OSZE.

Vor einem Jahr noch hatte man den Eindruck gewinnen können, als ob die lange vor sich hin dümpelnde gesamteuropäische Instanz einen neuen Schwung erhalten könnte. Ein neues Diskussionsforum war ins Leben gerufen worden. Nach seinem Gründungsort Korfu wurde es Korfu-Prozess genannt. Er geht auf einen Vorschlag des russischen Präsidenten Dmitri Medwedjew zurück und verfolgt das Ziel, einen neuen europäischen Sicherheitsvertrag abzuschließen. Von nun an sollten die Außenminister zu regelmäßigen inoffiziellen Treffen zusammenkommen, auf denen die gesamte Palette offener Sicherheitsfragen angesprochen werden sollte. Der Anfang wurde im vergangenen Jahr in der kasachischen Stadt Almaty gemacht. Nach mehr als einem Dutzend Jahren trat im vergangenen Jahr zudem ein Gipfeltreffen der OSZE in der kasachischen Hauptstadt Astana zusammen.

Seine Ergebnisse waren enttäuschend. Zwar verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs eine politische Deklaration, in der die entscheidenden Prinzipien der OSZE verankert wurden. Doch in den Wertungen gingen die Meinungen weit auseinander. Die einen sagen, dass es sich lediglich um eine Wiederholung sattsam bekannter Grundsätze handelt. Die anderen argumentieren, allein die Tatsache, dass die politische Willensbekundung auf höchster Ebene vorgenommen worden sei, unterstreiche ihre Bedeutung. Nach der Schlussakte von Helsinki im Jahre 1975 und der Charta von Paris aus dem Jahre 1990 sei es erst das dritte Mal, dass die höchsten Autoritäten sich auf diese Weise zu Wort melden. Das zeige die Lebensfähigkeit der Organisation und die Absicht ihrer Mitglieder, an ihr festzuhalten.

Wie dem auch sei. Das eigentliche Manko des Astana-Gipfels war die Tatsache, dass es nicht gelang, einen Aktionsplan für das Wirken der OSZE zu verabschieden. Ein solcher Plan war durch den Einsatz des Gastgebers Kasachstan vorbereitet worden. Er erfasste alle wesentlichen Konfliktfelder, denen sich die OSZE in der Zukunft zuwenden solle. Dazu zählen Verhandlungen über konventionelle Rüstungsbegrenzung und militärische Vertrauensbildung sowie alle territorialen Streitfragen, die es auf dem europäischen Kontinent gibt. Astana sollte also einerseits mit einem Dokument über allgemeine politische Zielsetzungen und zugleich mit einem konkreten Plan der Verhandlungskomplexe enden. Doch das erfolgte nicht. Der Aktionsplan wurde nicht verabschiedet, weil Georgien sich weigerte. Der Plan wurde an den nächsten Vorsitzenden - also Litauen - zur Weiterverfolgung verwiesen.

Wie auf der gerade beendeten Außenministerkonferenz in Vilnius deutlich wurde, wurden im vergangenen Jahr auf den anvisierten Feldern Fortschritte nicht erzielt.

Zwar lief die Maschinerie der OSZE im vorgegebenen Rahmen. Sondergremien und Arbeitsgruppen trafen sich regelmäßig; so die Kontaktgruppe zum Südostasien-Staatenbund ASEAN in diesem Jahr allein sieben Mal. Aber der Reigen der informellen Treffen der Außenminister wurde nicht fortgesetzt. Vor allem aber zeichneten sich in den Streitfragen keine Fortschritte ab.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die OSZE an einem Punkt angelangt ist, wo die Obstruktionspolitik eines Staates den Entscheidungsmechanismus zu Erliegen bringen kann.

Jedenfalls hat das Ministertreffen in Vilnius diesen Eindruck dadurch bestärkt, indem kein Dokument substantiellen Inhalts verabschiedet wurde. Das fällt umso mehr ins Gewicht, als eine große Gruppe europäischer Staaten gegenwärtig mehr an der Lösung der internationalen Finanzkrise interessiert zu sein scheint, als an Vorhaben zur Stärkung der europäischen Sicherheitsstrukturen. So spielte der Medwedjew-Vorschlag zum Abschluss eines umfassenden europäischen Sicherheitsvertrages so gut wie keine Rolle. Erneut aufgelebt ist hingegen die Kritik an der russischen Menschenrechtspolitik, fokussiert auf die Person von Ministerpräsident Wladimir Putin. Die kürzlichen Duma-Wahlen in Russland dienten dazu als Anlass.

Auch die erhoffte Einigung über einen besseren Schutz von Journalisten kam nicht zustande. Der schwedische Außenminister Carl Bildt hatte inoffiziell Russland dafür verantwortlich gemacht.

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