Geplante Obsoleszenz?

Warum Produkte so schnell kaputt gehen / Klaus Müller ist Chef der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Mitunter ist schlechte Produktqualität Teil einer Unternehmensstrategie. Bereits Ende der 60er Jahre schrieb der Schriftsteller Norman Mailer über »geplante Obsoleszenz« und definierte sie als »eingeplantes rasches Unbrauchbarwerden von Produkten zwecks Umsatzbelebung«. Trifft diese Analyse auch den Status quo?
Müller: Ja, verändert haben sich nur die Geräte, über die wir in diesem Zusammenhang reden. Der Klassiker war damals die fast schon kartellverdächtige Absprache der Glühbirnenhersteller, die die Lebenszeit ihrer Glühbirnen künstlich auf 1000 Stunden begrenzten. Das war nichts anderes als eine mutwillige Obsoleszenz. Heute müssten wir eher über die Lebenszeit des iPod-Akkus reden. Die war zuerst auf 18 Monate ausgelegt, was überhaupt nichts mit der Lebenszeit des eigentlichen Gerätes zu tun hat. Nach einer Sammelklage hat Apple dann ganz schnell nachgebessert, sich lieber schnell geeinigt, bevor es zu einem abschließenden Urteil kam. Es gibt mehrere solcher Beispiele.

Etwas bekannter wurde das Phänomen Anfang des Jahres durch die arte-Doku »Kaufen für die Müllhalde«. Kunden sollen dazu bewegt werden, schnell ein neues Produkt zu kaufen statt das alte reparieren zu lassen - so der Grundtenor der Sendung.
Das gilt nicht für alle Produkte, allein schon deshalb nicht, weil sie das nicht in jeder Branche beherzigen können. Bei Lebensmitteln reden wir eher über Verschwendung und schnelles Wegwerfen von Nahrung. Bei einer Banane kann man schlecht bewusst Obsoleszenz »einbauen«. Ein Obsoleszenz-Produkt ist in seiner Zusammensetzung eher komplex konstruiert, damit ich ihm als Verbraucher auf den Leim gehe. Wenn ich bei einem T-Shirt eine schlechte Naht entdecke, dann fällt meine Kaufentscheidung schnell - und nicht im Sinne des Anbieters.

Das Innenleben beispielsweise einer Energiesparlampe ist schwerer zu verstehen. Doch in den Verbraucherzentralen häufen sich die Beschwerden: Energiesparlampen verfügen offenbar nicht immer über die längere Lebenszeit, die den hohen Anschaffungspreis rechtfertigen soll.

Die Verbraucherzentralen wollen das Thema geplante Obsoleszenz auf die Tagesordnung setzen. Was fordern Sie?
Zum Thema Obsoleszenz gibt es noch viel zu wenig wissenschaftliche Forschung. Das ist zunächst unser Ansatz. In Nordrhein-Westfalen hat die Verbraucherzentrale nun die Chance, in die Unterstützung der Verbraucherforschung einzusteigen.

Könnten längere Garantiezeiten hilfreich sein?
Wir haben bisher in Deutschland eine Gewährleistungspflicht von zwei Jahren. Das ist eine gute Regelung. Aber wenn die Garantiezeit auf vier Jahre verdoppelt würde, hätten die Unternehmen schlagartig einen Anreiz, langlebigere Produkte herzustellen. Das würde aber Widerstand bei den Unternehmen auslösen.

Und einen Aufschrei der Konsumenten: Längere Garantie heißt teurere Produkte. Sehr unpopulär!
Ja. Aber die Frage lautet: Betrachte ich nur den Kaufpreis oder betrachte ich die Kosten über die gesamte Nutzungsdauer. Vielleicht würde sich dann mancher Verbraucher überlegen, lieber ein hochwertiges Produkt auszuleihen statt ein billiges zu kaufen.

Fragen: Marcus Meier

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