Werbung

Erstmals Streik bei Ford in Köln seit 100 Jahren

Bei dem US-Autobauer Ford in Köln wehren sich die Beschäftigten gegen den Stellenabbau

  • David Bieber
  • Lesedauer: 4 Min.
Ford-Mitarbeiter protestierten im März vor einem Gebäude der Fordwerke.
Ford-Mitarbeiter protestierten im März vor einem Gebäude der Fordwerke.

Erstmals in der fast 100-jährigen Geschichte von Ford in Deutschland drohen unbefristete Streiks bei dem Autobauer. Los geht es erst einmal mit einem befristeten Streik von Mittwochmorgen bis zum Ende der Nachtschicht am Donnerstagmorgen. Dazu hatte die für die Automobilindustrie zuständige Gewerkschaft, die IG Metall, die bei ihr organisierten Beschäftigten der beiden Kölner Ford-Werke aufgerufen.

Die Beschäftigten bekräftigten bei der Anfang Mai abgehaltenen Urabstimmung den Willen zum Protest. Ihre Forderung nach einem Sozialtarifvertrag, der hohe Abfindungen und finanzielle Sicherheiten garantieren soll, wird auch von Teilen der Landespolitik Nordrhein-Westfalens mitgetragen.

Die Entscheidung, in Köln nur noch Elektroautos zu produzieren war bis dato auch nicht von Erfolg gekrönt.

Die Protestaktionen richten sich gegen den vor knapp sechs Monaten angekündigten erneuten Stellenabbau an diesem Standort, an dem 11 500 Menschen beschäftigt sind. Vor rund zwei Jahren strich Ford bereits 2300 Stellen bei einer europaweiten Umstrukturierung in Deutschland zusammen (Standorte Köln und Aachen). Dieser Prozess laufe aber derzeit noch, heißt es.

Die Auswirkungen der ersten Streiks – weitere werden wohl folgen, da schon länger Eiszeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern herrscht – auf die Kölner Ford-Werke dürften gravierend sein. Die allermeisten Mitarbeiter sind treue Gewerkschaftsmitglieder. Und Ford hat schließlich noch Verbindlichkeiten. »Die müssen schon noch ein paar Autos bauen. Ein Streik trifft sie also sehr wohl«, heißt es auch aus der Politik.

Dieses Mal sollen 2900 Ford-Werker bis Ende 2027 gehen. Das wäre knapp ein Viertel der gesamten Belegschaft. Vor allem der Werksschutz sowie das Ersatzteil- und Entwicklungszentrum seien betroffen. Allein im letztgenannten Betriebsteil arbeiten zusammen knapp 5200 Menschen. Sie ist neben der Produktion mit 4500 Angestellten das Herzstück von Ford Deutschland.

Von Konzeptlosigkeit des Managements ist aufseiten der IG Metall die Rede. Die US-amerikanische Mutter, die das Sagen auch für die lange ertragreiche deutsche Tochter hat, gefährdet laut Gewerkschaft den kompletten und traditionsreichen Standort. Die Einflussmöglichkeiten der deutschen Tochtergesellschaften sind also begrenzt. Dennoch gibt es sie. Die bisherigen Angebote seitens der Arbeitgeber seien dem Vernehmen nach »keine abschlussfähigen Angebote« gewesen. »Es ist Zeit für den Arbeitgeber, sich zu bewegen und eine Gesamtlösung für die Belegschaft in Köln hinzubekommen«, sagte etwa der Betriebsratschef von Ford Deutschland, Benjamin Gruschka, Anfang der Woche der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Folgerichtig also, dass die Arbeitnehmerseite die Gespräche erst mal auf Eis legte. Seit März laufen die Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag.

Die Lage bei der Ford-Werke GmbH hatte sich zugespitzt, nachdem der amerikanische Mutterkonzern eine Vereinbarung gekündigt hatte, die den Konzern zur Übernahme von Schulden der Kölner Tochtergesellschaft verpflichtete. Zwar hat der Mutterkonzern für die nächsten vier Jahre noch Hunderte von Millionen in Aussicht gestellt, dennoch sind sich Experten sicher, dass sich damit die Abwärtsbewegung nicht aufhalten lässt.

Schon seit 2022 fährt die deutsche Tochter in Köln massive Verluste ein. Erstens werden immer weniger Ford-Modelle verkauft in Deutschland und Europa, und zweitens war die Entscheidung, in Köln nur noch Elektroautos zu produzieren bis dato auch nicht von Erfolg gekrönt. Stellen sollen vor allem in den Bereichen gestrichen werden, die nicht zwingend für die Produktion von Elektroautos gebraucht werden.

Als Ford 2023 die lange gut laufende Fiesta-Produktion endgültig einstellte, erhoffte sich der Autobauer, mit den Elektroautos weiter durchzustarten. Investitionen über knapp zwei Milliarden Euro in die neue Produktion zahlten sich indes bislang nicht aus.

Schlimmer noch: Der Ford-Anteil an den neu zugelassenen Autos in Deutschland lag einem dpa-Bericht zufolge im vergangenen Jahr nur noch bei 3,5 Prozent und damit 1,5 Prozentpunkte niedriger als noch vor drei Jahren. Auf lange Sicht dürfte es für Ford in Europa immer schwieriger werden, sich im stark umkämpften Automarkt zu behaupten gegen günstigere Wettbewerber – vor allem aus Asien.

Auch die SPD in NRW solidarisiert sich mit den Beschäftigten bei Ford. »Ein Streik in den Kölner Ford-Werken ist ein Novum und zeigt, wie ernst die Lage ist. Es geht schlichtweg um die Zukunft der Arbeitsplätze und des Standorts«, erklärt Jochen Ott, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag, gegenüber »nd«.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Die Unternehmensführung von Ford müsse sich jetzt endlich bewegen. »Sie hat eine Verantwortung den Ford-Beschäftigten gegenüber, und dieser muss sie nun gerecht werden.« Ott greift die Konzernspitze direkt an und spricht von »Managementfehlern«, für die nicht die Angestellten zur Rechenschaft gezogen werden dürften. Vielmehr fordert er, »endlich Sicherheit« für die Ford-Beschäftigten. »Dazu gehört ein Sozialtarifvertrag.«

Derweil üben sich Belegschaft und Gewerkschaft in Durchhalteparolen. »Wir bleiben Ford! Gemeinsam weiterkämpfen für Köln!« lautet ihr Slogan für den bestimmt noch länger andauernden Arbeitskampf, an dessen Ende ein »abschlussfähiger« Sozialtarifvertrag und weniger gestrichene Stellen als avisiert stehen sollen. Eine Reduzierung des Personalabbaus haben der Betriebsrat um Benjamin Gruschka und die IG Metall bereits vor zwei Jahren erreicht.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.