Kamera im Nacken

Niederländer planen schärfere Grenzkontrolle - NRW will diese verhindern

  • Elke Silberer, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach den Dänen versuchen es also jetzt die Niederländer. Sie wollen schärfere Grenzkontrollen - per Kamera. Die deutschen Nachbarn sind nicht gut darauf zu sprechen. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen mischt sich ein, in aller Freundschaft natürlich.

Aachen. »Big Brother«-Gefühl nicht ausgeschlossen: Wer nächstes Jahr mit dem Auto über die niederländische Grenze fährt, dem sitzen Kameras im Nacken. Still und lautlos erfassen sie mehrere Stunden täglich Autokennzeichen und setzen einen Datenstrom in Gang. Es hatte den Anschein, als wollten die niederländischen Nachbarn ihr Kamerasystem »@migo boras« klammheimlich einführen. Pech, dass Reporter nachfragten, was denn die Kameras an einer Grenze im Norden sollten. Seitdem steht das Vorhaben im Feuer der Kritik.

Initiator ist das niederländische Ministerium für Einwanderung und Asyl. Deren Chef ist Gerd Leers, der die Verhältnisse an der Grenze ziemlich gut kennt. Leers ist Kind der Grenzstadt Kerkrade bei Aachen und war lange Bürgermeister in Maastricht. Die Bekämpfung von Drogenkriminalität war sein großes Thema.

Jetzt kämpft er gegen Menschenschmuggel, Menschenhandel und Geldwäsche. Dazu braucht er die Kameras, stellt Leers fest. Die Erklärung ist ihm wichtig, sonst würde sie nicht auf der Internetseite der niederländischen Botschaft in Berlin stehen. An 15 Autobahnen und Nationalstraßen der großen Grenzübergänge werden demnach die Kameras aufgebaut, und einige Fahrzeuge des niederländischen Grenzschutzes für die kleineren Übergänge ausgestattet. »Anfang 2012« soll es losgehen.

Die Kameras gleichen demnach den fließenden Verkehr mit eingespeicherten »Risikoprofilen« ab. Bei einem Treffer würden die Beamten dann kontrollieren. Die erfassten Kennzeichen sollen nicht für andere Zwecke gebraucht werden, etwa für säumige Knöllchensünder. Das System soll höchstens 90 Stunden im Monat laufen. Keine permanenten Grenzkontrollen, die gegen die Reisefreiheit von Schengen verstoßen, behauptet Leers. Davon muss er jetzt noch die Europäische Union überzeugen. Die EU-Kommission hat Zweifel.

Frank Richter von der Gewerkschaft der Polizei hat auch seine Zweifel. »Das sind alles Scheinargumente, um die Kontrollen wieder einzuführen«, meint der NRW-Landesvorsitzende. Für ihn macht das Konzept keinen Sinn: »Wenn ich was Böses im Sinn habe, fahre ich doch nicht über die Hauptübergänge.« Völlig inakzeptabel sei die Grundannahme, die hinter der Kamera-Überwachung stehe: »Mit der Überwachung stehen alle Reisenden unter Generalverdacht.« Und das sind eben ganz viele Deutsche. Im Grenzland fährt man mal schnell über die Grenze. Das ist ganz normal.

In die gleiche Kerbe schlägt Bettina Gayk, Sprecherin des Datenschutzbeauftragten von Nordrhein-Westfalen. »Jeder wird damit unter Generalverdacht gestellt«, sagt auch sie. Die »Fischzugfahndung« betreffe alle und nicht nur diejenigen, die unter einem bestimmten Verdacht stünden. »In Deutschland wäre das datenschutzrechtlich nicht möglich.«

Bei einer Plenardebatte im Düsseldorfer Landtag wurde unlängst deutlich, dass die Landesregierung nicht viel mehr hat als die Information von Leers. Und die lässt wichtige Fragen offen. Es wäre doch hilfreich, »wenn die niederländische Regierung darüber aufklären könnte, zu welchem Zweck und wie lange entsprechende Daten gespeichert würden«, sagte Europaministerin Angelica Schwall-Düren (SPD) laut Protokoll.

In der Sache steht sie im Kontakt mit der niederländischen Regierung. Der Landtag hat das so beschlossen. Die Regierung solle darauf hinarbeiten, dass von den Videokontrollen abgesehen werde. Das werde getan - in aller Freundschaft, wie es in der Staatskanzlei heißt.


Im Einsatz

Das Kamerasystem @migo-boras (automatisch mobiel informatie gestuurd optreden - better operational result and advanced security) wird in einer ähnlichen Form unter dem Namen ANPR bereits seit Längerem auf Autobahnen im niederländischen Inland zur Bekämpfung von Schwerkriminalität eingesetzt. 2005 wurde es am niederländisch-belgischen Grenzübergang Hazeldonk für den Einsatz an den Grenzen getestet. (nd)

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