Mehr als bunte Bildchen

Die Stiftung eines Wappens ist jetzt auch für eingemeindete Ortsteile möglich

  • Sabrina Gorges, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Struktur- und Verwaltungsreformen - wie in Sachsen-Anhalt - haben vielen Kommunen in Deutschland ihre Identität gekostet. Sie verloren auch ihr Wappenrecht. Ein Novum schafft nun Abhilfe: Stifter können eingemeindeten Ortsteilen ein eigenes Wappen geben.

Magdeburg/Berlin. Ein Wappen ist für Jörg Mantzsch kein buntes Bildchen. Für den Magdeburger Wappenkundler und anerkannten Experten verkörpert es Selbstständigkeit, Identität und Tradition. Dinge, die vielen Städten und Gemeinden im Zuge vergangener Struktur- und Verwaltungsreformen abhandengekommen sind. Als Initiator eines Projekts hat er zusammen mit dem Berliner Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften, kurz Herold, jetzt eine Erweiterung der Deutschen Wappenrolle erwirkt. Der Herold hat das von ihm geführte offizielle Register aller deutschen Wappen um einen wichtigen Teil erweitert - der Ortswappenrolle. Damit besteht erstmals die Möglichkeit, eingemeindeten Ortsteilen ein Wappen zu stiften.

»Als Stifter kommt rechtlich gesehen jeder infrage«, erklärt Kommunalheraldiker Mantzsch. Doch er mahnt zur Besonnenheit. »Dieses Vorhaben sollte gut durchgesprochen und dann beispielsweise durch den Ortsbürgermeister oder den Heimatverein umgesetzt werden.« Der Rat eines Experten, der sich in Wappenkunde, Wappenkunst, Wappenrecht und der klar definierten Farbgestaltung auskennt, sei unerlässlich. »Alles andere ist Formalität, die den Stifter nur das Ausfüllen zweier Formulare und eine geringe Gebühr kostet.« Dafür bekommt er einen Wappenbrief, der ihn als Stifter ausweist.

Diesdorf mit der Schrote

Das Ortswappen kann dann öffentlich geführt werden und besitzt Schutzrechte - auch wenn es nicht den Status eines staatlichen Hoheitszeichens hat. »Ein Wappen muss nachhaltig sein«, sagt Mantzsch. »Jeder sollte sich damit identifizieren, es tragen und verwenden können.« Es soll ein Wappen für alle sein: Der Schützenverein marschiert unter dem Wappen durchs Dorf, der Gesangverein musiziert, der Heimatverein veranstaltet Dorffeste und die Fußballer tragen es auf ihren Trikots. »Heute tun sie das vielfach unter dem Wappen einer kilometerweit entfernten Stadt, zu dem sie aus ihrer konkreten Ortsgeschichte heraus keinen Bezug haben.« Aus diesem Grund hat Mantzsch zusammen mit dem Herold, dessen Mitglied er ist, nach einer Lösung für die Wappenfrage von eingemeindeten Kommunen gesucht. »Der Mensch strebt nach Identifikation. Ein Wappenbild kann ein Stück dazu leisten.« Als einer der ersten in ganz Deutschland ist der Magdeburger Stadtteil Diesdorf den neuen Weg bis zu seinem eigenen Ortswappen gegangen. Der Bürger- und Heimatverein hat es gestiftet und dafür mit Jörg Mantzsch zusammengearbeitet. »Mittelpunkt des Wappens ist der stilisierte Fluss Schrote, der durch Diesdorf fließt«, sagt der Heraldiker. Der Verein ist zwar Stifter des Wappens, stellt es aber nach eigener Genehmigung Vereinen, Unternehmen und Privatpersonen für repräsentative Zwecke zur Verfügung.

Streit unter den Stiftern?

Für Lorenz Beck, Ausschussvorsitzender beim Herold für die Deutsche Wappenrolle, wird die Initiative die heraldische Landschaft nachhaltig prägen und verändern. »Erst werden es nur einige wenige sein, die diese Chance nutzen«, sagte der Experte. »Aber es wird sich eine Eigendynamik entwickeln, weil Wappen seit jeher etwas sind, was die Menschen bewahren.« Er hofft, dass die neue »Sonderidentität« durch die Wappen aus der Ortswappenrolle nicht zu Streitigkeiten unter den Kommunen oder den Stiftern führt. »Wir wildern ja nicht auf kommunalrechtlichem Gebiet und auch die Gönner werden sich bei Meinungsverschiedenheiten sicher einigen.«

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