Noch nicht verbannt

Massenschlachtungen in Hongkong: Vogelgrippe ist wieder da

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 3 Min.
Es war ruhig geworden um die Vogelgrippe. Fast so, als hätte es die Epidemie nie gegeben. Doch die Ruhe war trügerisch: Sie ist wieder da.

In den Ländern Asiens ist es auch in diesem Jahr zu Infektionen des Federviehs mit dem H5N1-Virus gekommen. Wie kurz vor Weihnachten in Hongkong, wo Zehntausende Hühner notgeschlachtet wurden, um den Ausbruch einer Epidemie zu verhindern. In Kambodscha war im August ein vierjähriges Mädchen an einer H5N1-Infektion gestorben. Es war der achte Fall einer menschlichen H5N1-Infektion in diesem Jahr, von denen alle tödlich endeten.

Mit Massentötungen von Geflügel und breiten Impfaktionen unter Hühnern und Enten wird versucht, der Vogelgrippe Herr zu werden. Seit 2003 sind an dem Virus oder durch Massenschlachtungen 400 Millionen Tiere gestorben. Die Welternährungsorganisation FAO schätzt den weltweiten wirtschaftlichen Schaden auf mehr als 20 Milliarden Dollar.

Die Maßnahmen waren zunächst erfolgreich. Die Zahl der Ausbrüche in 36 Ländern sank von 4000 zum Höhepunkt der Epidemie im Jahr 2006 auf 302 Mitte 2008, obgleich die Vogelgrippe in sechs Ländern - Vietnam, China, Indien, Indonesien, Bangladesch und Ägypten - endemisch blieb.

Seit 2008 aber steigt die Zahl der Fälle wieder an und auch ihre geografische Verbreitung nimmt wieder zu. 2010 und 2011 wurden bereits wieder 800 Ausbrüche registriert. Betroffen sind sowohl wilde Zugvögel wie auch Geflügel auf Bauernhöfen und Zuchtfarmen.

Verbreiter des H5N1-Virus sind die Zugvögel, die weite Distanzen zu ihren Nist- und Brutplätzen oder zu ihren Winterquartieren fliegen. Sie tragen den Erreger auch wieder in Länder, die für einige Jahre virusfrei waren, sagt Juan Lubroth, Chefveterinär der FAO. Der Wissenschaftler warnt aber davor, den Zugvögeln die Hauptschuld zuzuschieben. »Die Zugvögel mögen das Virus einschleppen, aber es ist die Art und Weise, mit der Menschen Geflügel produzieren und vermarkten, die es verbreiten.«

Eine zweite besorgniserregende Ursache für die Wiederkehr ist das Auftauchen einer Variante, gegen die existierende Impfstoffe wirkungslos zu sein scheinen. H5N1-2.3.2.1. lautet der wissenschaftliche Name des in Vietnam entstandenen neuen Vogelgrippevirus. Die vietnamesischen Behörden hoffen nun, im Herbst die bereits im Frühjahr abgebrochene Impfaktion von Geflügel mit einem modifizierten Mittel wieder aufnehmen zu können.

Die neue Virusvariante könne sich schnell von Vietnam aus auf die Nachbarländer Kambodscha, Thailand und Malaysia ausbreiten, auch weiter entfernte Länder wie Korea und Japan gefährden, befürchtet Lubroth - und durch die Zugvögel auch auf andere Kontinente reisen. Unklar ist noch, ob die neue Variante gefährlich für Menschen ist. Keiner der in diesem Jahr gemeldeten Übertragungen auf Menschen ist von dem Virus mit dem sperrigen Namen verursacht worden.

Mit Sorge sehen FAO wie Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass es gerade in den Ländern, in denen die Vogelgrippe endemisch ist, an effektiven Präventionskampagnen fehlt. »Die Angst vor H5N1 führt nicht zwangsläufig zu konkreten Plänen zur Kontrolle und Ausmerzung des Virus«, warnte bereits im April dieses Jahres die WHO. Seit ihrem ersten Auftreten 2003 wurden 565 Menschen mit dem Vogelgrippeerreger infiziert. 331 sind nach Angaben der WHO an der Krankheit gestorben.

Erschreckend ist die Nachricht aus einem Genlabor in Rotterdam: Wissenschaftler haben ein Vogelgrippesupervirus geschaffen, das direkt von Mensch zu Mensch übertragen werden kann.

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