Zweigeteilte Jobwirtschaft in Sachsen
Landkreise betreiben 6 von 14 Jobcentern allein
Chemnitz/Dresden. Mit Jahresbeginn ändert sich die Zuständigkeit für die Grundsicherung von 67 000 Sachsen. Waren für sie bislang Kommunen und Bundesarbeitsagentur gemeinsam verantwortlich, sind es ab sofort nur noch die Landkreise allein.
Die Regionaldirektionschefin der Bundesagentur, Jutta Cordt. ist eine Verfechterin von gemeinsamen Einrichtungen. »Das war die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe«, erinnert sie an die Entstehungsgeschichte von Jobcentern. »Jeder sollte mit seinen Kompetenzen beitragen: Die Bundesagentur mit der Vermittlung, die Landkreise mit den sozial flankierenden Leistungen wie soziale Betreuung, Schuldner- und Suchtberatung.«
Die Bundesagentur ist noch an 8 der insgesamt 14 Jobcenter in Sachsen beteiligt. »Das umfasst den Großteil aller Bedarfsgemeinschaften«, betont Cordt. »In Sachsen zeigt sich auch, dass dort, wo wir gemeinsam die Jobcenter betreiben, die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt besser klappt«, fügt sie hinzu. »Die BA ist bundesweit vernetzt. So kann ein Vermittler in Dresden die Stellenangebote aus Thüringen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg einsehen.«
Der Sächsische Landkreistag hatte seinen Mitgliedern den Weg in die Alleinverantwortung empfohlen. Geschäftsführer André Jacob zufolge liegen keine belastbaren Zahlen für den Erfolg des einen oder anderen Modells vor. »Wir haben Stärken in der Kenntnis des regionalen Arbeitsmarktes. Und wir sind näher dran an den Langzeitarbeitslosen«, sagt Jacob.
Die drei kreisfreien Städte Leipzig, Chemnitz und Dresden hätten auch »Optionskommune« werden und allein zuständig werden können - aber sie wollten nicht. Es gebe Vor- und Nachteile, sagt salomonisch der Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, Mischa Woitscheck. »Für die kreisangehörigen Städte und Gemeinden ist wichtig, dass die optierenden Landkreise das Finanzierungsrisiko beherrschen und den Kommunen keine Nachteile entstehen.«
Die Gewerkschaften finden deutlichere Worte. »Für Landräte ist es einfach verlockend, einen neuen Machtbereich zu haben«, sagt DGB-Landesvize Markus Schlimbach. Durch die Optionskommunen würden Parallelstrukturen aufgebaut. »Ich halte das für ein Modell, das nicht zukunftsfähig ist.« Befürworter der Option betonen hingegen, dass nur so die Leistungen für die Hartz-IV-Fälle aus einer Hand erbracht werden können und der Abstimmungsaufwand wegfällt. Kritiker sehen derweil auch das Finanzierungsrisiko - und die durch das vorgegebene Budget des Bundes begrenzten Gestaltungsspielräume.
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