Gysi will die Personaldebatte aussetzen

Nach ihrer Fraktionsklausur sucht die LINKE den Weg zurück in die politische Erfolgsspur

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Fraktionschef Gregor Gysi hofft, dass seine Partei in den kommenden Monaten nicht mehr über ihr künftiges Spitzenpersonal diskutieren wird. Die LINKE werde sich nun wieder auf »Politik für die Menschen« konzentrieren, erklärte Gysi nach der zweitägigen Fraktionsklausur am Samstag in Berlin.

In diesem Jahr soll alles besser werden. Nachdem die LINKE 2011 in den bundesweiten Umfragen abgestürzt ist und ein durchwachsenes Wahljahr hinter sich hat, will sich die Partei in Zukunft wieder mehr mit politischen Inhalten als mit sich selbst auseinandersetzen. Das kündigte Fraktionschef Gregor Gysi zum Abschluss der Fraktionsklausur im Pentahotel in Berlin-Köpenick an.

Für seine geplante Spitzenkandidatur im Jahr 2013 habe er den Rückhalt seiner Fraktion, erklärte Gysi. Und die Diskussion über die künftige Parteispitze solle »bis vier Wochen vor dem Parteitag verschoben werden«. Dieser soll im Juni in Göttingen stattfinden. Der Parteivorstand hatte kürzlich einen Antrag von mehreren Landes- und Kreisverbänden für eine »Urwahl« wegen rechtlicher Bedenken abgelehnt. Gysi bekräftigte, dass er dies juristisch anders sehe. Nun werde im Parteivorstand darüber beraten, wie die Mitglieder etwa in Regionalkonferenzen trotzdem einbezogen werden können.

Die schwierige Lage der LINKEN lässt sich auch dadurch erklären, dass Grüne und SPD in der Opposition wieder zunehmend Forderungen nach Stärkung des Sozialstaates erheben, den sie einst selber massiv abgebaut hatten. Wie ernst sie es damit meinen, könnte sich schon bald bei einer Abstimmung im Bundestag zeigen. Die Linksfraktion beschloss bei ihrem Treffen, einen Antrag in das Parlament einzubringen, der die sofortige Aussetzung der Rente mit 67 vorsieht. Dies hatten in den vergangenen Wochen auch SPD-Politiker gefordert, der Bundesvorstand der Grünen hatte sich dagegen skeptisch gezeigt.

Ein weiterer Schwerpunkt soll die Bildungspolitik werden. Gysi sprach sich für Gemeinschaftsschulen aus und forderte eine Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Dadurch könne Chancengleichheit gewährleistet werden.

Inzwischen durchgesetzt hat sich im Bundestag die Forderung der Linkspartei und der Grünen nach einem Untersuchungsausschuss zur Neonazi-Mordserie. Trotzdem konnte sich Gysi nicht wirklich darüber freuen. Denn im Ausschuss würden die Stimmen der LINKEN und der Grünen zur Durchsetzung eines Beweisantrages nicht ausreichen. Union, FDP und SPD könnten so gemeinsam bestimmte Fragen verhindern.

Die Linksfraktion hat sich darauf eingestellt, dass auch in diesem Jahr die europäische Wirtschaftskrise im Zentrum der Politik stehen wird. Gysi sprach bezüglich der Herabstufung mehrerer europäischer Länder durch die US-amerikanische Ratingagentur Standard & Poor’s von einem »Krieg der Banken und Ratingagenturen gegen die europäischen Völker«. Die Herabstufungen dienten nur dem Zweck, die Zinsen zu erhöhen, kritisierte der LINKE-Politiker. Um dies zu umgehen, sei die Gründung einer öffentlich-rechtlichen europäischen Ratingagentur notwendig. Scharfe Kritik übte er an der Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Deren Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin würde unzulässig in die Haushaltshoheit des Bundestags eingreifen.

Etwas anders als üblich will die LINKE den diesjährigen Frauentag begehen. Die weiblichen Abgeordneten hatten durchgesetzt, dass die Männer in der Fraktion am 8. März in Unternehmen »typische Frauenarbeit leisten« müssen. Die Frauen werden dagegen die Reden im Bundestag halten.

Konfliktreicher verlief offensichtlich die Debatte über den Solidaritätsaufruf für die Völker Syriens und Irans, der u.a. von sechs Bundestagsabgeordneten der LINKEN unterzeichnet wurde. Es sei bedauerlich gewesen, dass in der Erklärung das Missverständnis entstehen konnte, dass die Regime nicht verurteilt werden, erklärte Gysi.

»Wir haben uns auch darauf verständigt, dass wir bei solchen Unterschriften vorher noch einmal miteinander sprechen«, so der Fraktionschef. Man könne sich ja einen Rat einholen. Gysi betonte, dass seine Partei Kontakte zur demokratischen Opposition in Syrien und Iran pflege. Zudem warnte er eindringlich vor einem Kriegseinsatz gegen die Länder im Nahen Osten.

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