Die »bonitätsorientierte Kreditvergabe«

Darlehen und Zinsen

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Konsum auf Pump kostet dem einen mehr als dem anderen Bankkunden. Kreditinstitute legen ihre Zinssätze für ein Darlehen individuell fest. Die Finanzbranche nennt dieses Vorgehen »bonitätsorientierte Kreditvergabe«.

Im Klartext heißt das: Je besser die Bonität (wörtlich: der Ruf) des Kunden, je niedriger der Zinssatz, den er für einen Kredit zahlen muss. Individuelle Zinssätze sind seit einigen Jahren gang und gäbe in der Kreditwirtschaft.

Vorreiter: die KfW-Bank

Vorreiter im deutschen Kreditwesen war dabei ein staatliches Institut, die KfW-Bank. Ihre gewerblichen Förderprogramme richten sich an kleine Firmen. Am 1. April 2005 führte die KfW-Bank »risikogerechte Zinsen« ein und ermöglichte damit eine individuelle Preisgestaltung für Bäcker, Softwareschmieden und Weinläden.

»Jeder Unternehmer wird künftig mit den Risikokosten belastet, die er auch verursacht«, redete ein Sprecher der KfW-Gruppe Klartext und verwies auf »Basel II«. Basel II ist eine internationale Kreditrichtlinie, die alle Banken zwang, spätestens ab 2007 ihre Darlehen in Risikoklassen zu unterteilen und entsprechend mit unterschiedlich hohem Eigenkapital abzusichern. Daraus ergeben sich erhebliche Unterschiede bei den Kosten und diese werden an die werte Kundschaft in Form unterschiedlicher Zinssätze weitergegeben.

Individuelle Zinssätze sind seither nicht mehr allein bei Geschäftskrediten in Mode gekommen, sondern auch bei privaten Ratenkrediten.

Auch der Konsum auf Pump richtet sich seither stärker nach dem individuellen Risiko des Kreditnehmers. »Wir brauchen eine Preisgestaltung, die sich an den tatsächlichen Kosten orientiert«, hieß es dazu beim Bankenfachverband. Wer heute eine Wohnzimmereinrichtung finanzieren, ein Auto oder ein Haus kaufen will, muss daher oft viele private Daten über seine Familien- und Einkommensverhältnisse der Bank mitteilen. Auf dieser Basis wird dann ein persönliches Zinsangebot ermittelt.

»Scoring« für Bankkunden

Ob der Zinssatz hoch oder niedrig ausfällt, bemessen Banken anhand eines statistischen Verfahrens, das sich »Scoring« nennt und das die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Darlehens vorhersagen soll. Es verwendet Angaben über Alter, Geschlecht, Ausbildung, Beruf, Branche und Familienstand.

»Scoring«-Modelle sind nichts Neues für Geldverleiher, die Konsumkredite vergeben oder Immobilien finanzieren. Die Auskunftei Schufa entwickelt seit 1997 »Scoring«-Systeme. Aber bis Basel II wurden sie meistens nur für die Entscheidung herangezogen, ob der Kunde überhaupt ein Darlehen erhält oder nicht. Mittlerweile nutzen viele Institute das »Scoring« jedoch, um individuelle Kreditkonditionen festzulegen.

Die Schufa unterteilt die Kundschaft in 15 Klassen. Dafür wurden die Bankdaten von 840 000 Verbrauchern herangezogen. In der obersten Klasse ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde seinen Kredit nicht zurückzahlt, gleich null. Der zu zahlende Zinssatz ist für den Kreditnehmer entsprechend niedrig.

Zinssätze zwischen 4,90 und 12,90 Prozent

Schon in der 12. Klasse beträgt das »Ausfallrisiko« fast 40 Prozent. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, dass solche Kunden keinen Vertrag kriegen oder einen aberwitzig hohen Zinssatz zahlen sollen. In einem Test schwankte der individualisierte Zinssatz bei einer Kreditbank zwischen 4,90 und 12,90 Prozent.

In der Praxis machte es das »Scoring« für Bankkunden schwerer, Angebote miteinander zu vergleichen. Früher genügten einige Anrufe bei Banken und Sparkassen, um sich schnell eine Marktübersicht zu verschaffen, später reichten ein paar Klicks im Internet.

Inzwischen lässt sich kaum noch zwischen dem (allgemeinen) Effektivzinssatz des einen Institutes und Konkurrenzangeboten abwägen, da letztlich der individualisierte Zinssatz entscheidend ist.

Unbeirrt von solcher Kritik werben Institute mit der neuen bunten Kreditwelt. So machte eine Genossenschaftsbank Reklame für die »persönlich angepasste Kreditrate nach Ihren Bedürfnissen«. Das klingt gut, aber auch dahinter verbirgt sich eine »bonitätsorientierte Kreditvergabe« mit individuellem Zinssatz, der für die Dauer der Vertragslaufzeit vereinbart wird.

Bei Sparkassen schon bis zu 18 Risikoklassen

Bei Sparkassen hat die »risikoadjustierte Kreditpreisermittlung« schon zu 18 Risikoklassen geführt, in welche die Kundschaft unterteilt wird. Mittlerweile gibt es auch Angebote, in denen die Bank den Zinssatz anpasst, wenn sich die Bonität des Kunden ändert.

Ganz chancenlos lässt Sie aber auch der persönliche Zinssatz nicht. Für viele Geldverleiher ist die tatsächliche Höhe des Zinssatzes weiterhin Verhandlungssache. Vor allem neuen Kunden kommen Banken gern entgegen, wenn die Bonität einigermaßen stimmt und der Kreditnehmer für die Zukunft lukrative Geschäfte verspricht.

Laut Bundesbankstatistik kosten Ratenkredite für Durchschnittskunden zwischen rund fünf und acht Prozent. Der kleine Unterschied macht in der Praxis oft einige tausend Euro aus - ganz individuell.

HERMANNUS PFEIFFER


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