Sarkozys unsoziale »soziale Mehrwertsteuer«

Frankreichs Präsident will Unternehmen entlasten

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Die letzten 100 Tage bis zur Wahl will der französische Präsident Nicolas Sarkozy nutzen, um im Schnellverfahren noch Reformen durchzusetzen. Ein riskantes Spiel, das ihm letztlich mehr schaden als nutzen kann.

Vor wenigen Tagen hat Nicolas Sarkozy sein Vorhaben einer »sozialen Mehrwertsteuer« angekündigt. Dahinter steht die Absicht, die auf den Unternehmen lastenden Sozialabgaben zu senken und diese auf alle Bürger zu verteilen. Der heute zwei Drittel ausmachende Arbeitgeberanteil an den Sozialabgaben soll reduziert und durch eine Aufstockung der Mehrwertsteuer zu Gunsten der Sozialkassen kompensiert werden. Die offizielle Begründung lautet, dass »die Kosten der Arbeit gesenkt« werden sollen, um die vergleichsweise hoch belasteten französischen Unternehmen »international wettbewerbsfähiger« zu machen.

Eine solche Reform wird von den Unternehmerverbänden seit Jahren gefordert. Sie argumentieren, dass das sehr gut ausgebaute, aber teure und defizitäre französische Sozialversicherungssystem ausschließlich durch die Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert wird. Dagegen werden die Importe aus Billiglohnländern, wohin viele Industrieunternehmen abgewandert sind, nicht herangezogen. Dies würde zumindest teilweise durch die Anhebung der Mehrwertsteuer korrigiert, die auch importierte Waren träfe. Umgekehrt könnte bei sinkenden Arbeitskosten im Inland der Nettopreis heimischer Waren sinken, wodurch sie auch besser exportiert werden könnten. Die Rechtsregierung in Paris rechnet sogar damit, dass durch die Maßnahme neue Arbeitsplätze in Frankreich geschaffen werden, wodurch die wieder auf Rekordhöhe gekletterte Arbeitslosigkeit sinken dürfte.

Um welchen Satz die Mehrwertsteuer erhöht werden soll, ist indes noch offen. Senator Jean Arthuis von der Zentrumspartei rechnet schon mal vor, dass eine Anhebung um fünf Punkte von heute 19,6 auf dann 24,6 Prozent rund 50 Milliarden Euro im Jahr mehr in die Kassen spülen würde. Ebenfalls noch nicht entschieden ist, ob die Entlastung nur den Arbeitgebern oder auch den Arbeitnehmern zugute kommen soll.

Dies gehört zu den Diskussionspunkten eines »Sozialgipfels«, zu dem Sarkozy die Unternehmerverbände und die Gewerkschaften für heute in den Elysée-Palast eingeladen hat, und soll wohl den Gewerkschaften die Zustimmung zu der Reform »versüßen«. Doch die sind ebenso wie die linken Oppositionsparteien entschieden gegen das Projekt von Sarkozy, das Umfragen zufolge von fast zwei Dritteln der Franzosen abgelehnt wird. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer sei sozial extrem ungerecht, weil die einkommensschwächeren Familien überdurchschnittlich stark belastet würden. Ihr Einkommen geht überwiegend in den entsprechend höher besteuerten Konsum, während der Anteil umso geringer ausfällt, je höher das Einkommen der Familien ist.

Weil die Mehrwertsteuererhöhung die Verbraucherpreise erhöhen und dementsprechend den Konsum dämpfen würde, was auch zu einer Drosselung des ohnehin schwachen Wirtschaftswachstums führen muss, stehen auch zahlreiche Politiker der rechten Regierungspartei UMP dem Projekt kritisch bis ablehnend gegenüber. Das eigene Lager kann Sarkozy noch durch ein Machtwort auf seine Linie einschwören, doch der Widerstand der Gewerkschaften dürfte ihm zu schaffen machen. Die haben parallel zum heutigen »Sozialgipfel« zu einer großen Protestdemonstration auf den Straßen von Paris aufgerufen.

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