Gigaliner des Alpenlandes

Die bayerische Kultband Biermösl Blosn hat sich aufgelöst - und schlug vorher noch mal richtig zu

  • Klaus Tscharnke, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach mehr als 30 Jahren ist Schluss - die bayerische Kultband Biermösl Blosn gab am Dienstag ihr Abschiedskonzert und löste sich am Mittwochabend erklärtermaßen offiziell auf. Als letzten Akt machte sie noch einmal das, was seit Jahrzehnten ihr Markenzeichen ist: über die CSU und die Obrigkeit herziehen.

Fürth. Zum Schluss bekamen noch einmal alle ihr Fett weg: die CSU, die Bauern, die Katholiken, die Freiwilligen Feuerwehren, die Sparkassenchefs und natürlich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. Rotzig frech und gewohnt bissig hat sich die bayerische Kultband Biermösl Blosn in Fürth von ihren Fans verabschiedet. Die wiederum feierten ihre Biermösl Blosn und den brillanten Kabarettisten Gerhard Polt mit stürmischem Beifall - und nötigten die musikalisch-kabarettistischen Spitzbuben im ausverkauften Stadttheater zu immer neuen Zugaben.

Die drei Brüder des Musiker-Trios aus der Nähe von München gehen künftig eigene künstlerische Wege. Schon im Februar wollen Christoph und Michael Well in den Münchner Kammerspielen neu durchstarten - zusammen mit ihren Schwestern von der Gruppe »Wellküren«. Unter der Regie von Franz Wittenbrink ist ein »Hausmusikabend« geplant. Der dritte Bruder Hans Well könnte sich künftig Auftritte mit dem Altmeister des deutschen Kabaretts, Dieter Hildebrandt, vorstellen.

Von Wehmut war bei den Well-Brüdern während des Abschiedskonzertes deshalb auch kaum etwas zu spüren. Genauso locker und unverkrampft wie bei ihren 3500 Auftritten zuvor zogen sie zusammen mit Polt mehr als zwei Stunden lang über bayerische Selbstzufriedenheit, Doppelmoral und Polit-Filz her. Dabei glänzte das Trio mit einer beispiellosen musikalischen Virtuosität: Wie selbstverständlich wechselten die Biermösl Blosn ständig zwischen uriger Volksmusik, Klassik, bayerischem Mundart-Gesang und keltischer Folklore hin und her.

Ausgerechnet in Franken

Etwas gab zumindest Michael Well beim Abschiedskonzert in Fürth dann doch zu denken: »Dass wir die letzten beiden Tage unseres Zusammenseins ausgerechnet in Franken zubringen, schmerzt schon«, flachste er - und erntete prompt Widerspruch seines jüngeren Bruders Christoph («Stof-ferl«). Mit ihren fränkischen Gastgebern gingen sie ansonsten eher mild um und konzentrierten sich nach ein paar deftigen Seitenhieben auf ihren Auftrittsort Fürth lieber auf ihre oberbayerischen Landsleute.

Besonders zum Schluss ließen es die Biermösl Blosn noch mal so richtig krachen: In Sepplhosen legten Christoph und Michael eine zünftige Schuhplattler-Show auf die Bühne - als bissige Satire auf die kraftmeiernde bayerische »Mir-san-mir«-Mentalität. Das überwiegend ältere Publikum quittierte die trachtengruppenreife Vorführung mit großem Beifall.

Auch die alpenländische Tradition des Alphornblasens (»Darauf haben wir früher geraucht«) geriet in den Händen der Biermösl Blosn zur bitterbösen Persiflage bayerischen Brauchtums. Den drei ins Publikum ragenden »Gigalinern der alpenländischen Musik« entlockte das Trio fetzigen Swing und Jazz.

Auch bei den mehr als 700 Zuschauern war auf den ersten Blick vom großen Katzenjammer wenig zu spüren. Manche bedauerten das Ende der Biermösl Blosn-Ära aber durchaus: »Es ist schon schade, dass die Biermösl Blosn jetzt aufhören wollen«, meint etwa die Nürnbergerin Gerda Langer. Um wenigstens den Abschied voll auskosten zu können, hat sie sich gleich für beide Abschiedskonzerte Karten besorgt. Der aus Franken stammende Fan Reinhard Heinlein tröstete sich derweil damit, dass sich die einzelnen Mitglieder der Biermösl Blosn keineswegs von der Bühne zurückziehen: »Der eine oder andere macht ja weiter«, meint Heinlein.

Viele Zuschauer waren sich allerdings einig: So richtig stark sind die drei Ausnahmemusiker nur im Dreierpack: »Zu dritt sind sie einfach unschlagbar - mit Polt sogar noch besser«, meinte ein Zuschauer. Inge List aus dem mittelfränkischen Ammerndorf begeistert an den Biermösl Blosn vor allem eins: »Sie sind nicht unverschämt, aber spitz, und regen gerade damit zum Nachdenken an.«

Eigene Charaktere

Gerd Decker aus Nürnberg hat sogar ein bisschen Verständnis für die Auflösung der Kultband: »Sie sind eben eigene Charaktere. Und wenn man so lange zusammen aufgetreten ist, ist es nachvollziehbar, dass man vielleicht mal getrennte Wege gehen will.«

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