Krajina-Serben erhalten Rückkehrrecht

Nach Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes ist die Räumung von 8000 Häusern angesagt

  • Martin Schwarz, Wien
  • Lesedauer: 4 Min.
In Kroatien trat dieser Tage ein ambitioniertes Gesetz in Kraft, das zehntausenden vertriebenen Serben die Rückkehr in ihre ehemaligen Siedlungsgebiete erlauben soll. Ein humanitärer Kraftakt mit ungewissem Ausgang.
Es gibt keinen einzigen Sektor, der nicht einer Reform bedarf«, meinte Kroatiens sozialdemokratischer Premierminister Ivica Racan in der Vorwoche, als er vor wenigen Tagen vom Zagreber Parlament erneut zum Regierungschef berufen wurde. Racan und sein Kabinett waren am 5. Juli zurückgetreten, nachdem die bisherige Fünf-Parteien-Koalition geplatzt war. In knapp einem Monat schaffte es Racan, durch die Integration einiger Klein- und Regionalparteien abermals eine Mehrheit zu sichern - aber die nun verbleibenden eineinhalb Jahre dieser Legislaturperiode geraten für das links der Mitte angesiedelte Kabinett zu einer echten Bewährungsprobe.
Die erste von ihnen steht dem neuen alten Premierminister schon in den nächsten Wochen ins Haus: Am 1. August trat ein Gesetz in Kraft, das den einst aus der Krajina vertriebenen kroatischen Serben die Rückkehr in ihre Häuser ermöglicht und gleichzeitig die nun dort lebenden Kroaten anweist, das okkupierte Eigentum zurückzugeben und umzusiedeln. Innenpolitisch ist das eine Steilvorlage für die nationalistische Opposition: Wenn Kroaten aus ihren - wenn auch nicht rechtmäßig - erworbenen Häusern ausziehen und in andere Teile des Landes müssen, wird das für Aufgeregtheit sorgen.

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Das Gebiet Vojna Krajina (Militärgrenze) wurde bereits 1538 von Österreich zur Abwehr der Türken geschaffen. Beim Zusammenbruch Jugoslawiens 1990 betreiben die Krajina-Serben die Abspaltung von Kroatien. Am 19.12.1991 Proklamation der Republik Serbische Krajina, die zusammen mit Westslawonien 14 000 qkm mit 400 000 Einwohnern (65 % Serben) umfasst. Im August 1995 erobert die kroatische Armee die Krajina, etwa 200 000 Serben fliehen oder werden vertrieben.

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»Rund 8000 Häuser müssen ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben werden«, sagt Allesandro Frascassetti, Sprecher der OSZE-Mission in Zagreb gegenüber ND. Bis 30. Oktober müssen jene Häuser von ihren derzeitigen kroatischen Bewohnern geräumt sein, auf die schon Anspruch der ehemaligen serbischen Besitzer erhoben wurde, bis 31. Dezember müssen auch die restlichen Wohnstätten geräumt sein. Die kroatische Regierung legt damit ein Tempo vor, das sie womöglich nicht halten kann: »Die Regierung hat sich gewisse Bedingungen und Fristen selbst auferlegt. Sie geht Verpflichtungen sowohl gegenüber den Kroaten als auch den Serben ein, die sie wahrscheinlich nicht halten kann«, so Frascassetti weiter. Freilich: jahrelang hat die Regierung Tudjman die Rückkehr der Serben verhindert und verzögert und sieben Jahre nach Ende des Krieges ist es höchste Zeit für eine Wiederherstellung der Bevölkerungsbalance.
»12 Jahre lang war die Politik der kroatischen Regierung eine Politik der Diskriminierung«, beklagt etwa Milorad Pupovac, Chef des serbischen »Nationalrates«, eines Dachverbandes aller serbischen Vereinigungen in Kroatien. Zwar sei »die derzeitige Regierung nicht anti-serbisch«, allerdings würde nicht genug getan, um den Serben die gleichen Rechte zu sichern. Das alles, so Pupovac, führe zu einer Atmosphäre, in der die Serben in Kroatien ihre Identität verheimlichen. Bei der letzten Volkszählung im vergangenen Jahr etwa hätten sich in Split, einer Stadt mit immerhin rund 450 000 Einwohnern, nur neun Menschen zum serbisch-othodoxen Glauben bekannt.
Aber ebenso wie die nun geplante Rückführung eine dringende Notwendigkeit ist, stellt sie eine ungeheure logistische Operation dar, die nicht so leicht zu bewältigen sein wird. Rund 100 Millionen Euro etwa wird es kosten, die dann heimatlosen Kroaten in anderen Teilen des Landes anzusiedeln - Geld, das die Zagreber Regierung nur schwer aufbringen kann. Ein Verstoß gegen das neue Gesetz aber könnte noch viel teurer werden: wenn die Fristen nicht eingehalten werden, muss die kroatische Regierung den ehemals serbischen Besitzern Schadenersatz zahlen.
Ein wenig im Stich gelassen fühlt sich nun die kroatische Regierung von der internationalen Gemeinschaft, die zwar vollmundig betonte, die Regierung auch finanziell zu unterstützen, nun aber diese Zusagen nicht einhalten möchte. »Wir benötigen bis Ende August unbedingt 2,3 Millionen US-Dollar von unseren Geberländern, andernfalls müssten wir unsere kroatischen Programme einstellen. Und davon wäre vor allem die Rückkehr der Serben betroffen«, sagt etwa Kris Janovsky, Sprecher des UNHCR in Genf gegenüber ND. Sollte die Regierung mit ihrem Programm scheitern und die Serben nicht zurückkehren können, droht Zagreb auch außenpolitisches Unheil, fürchtet OSZE-Sprecher Frascassetti: »Die Rückkehr der Flüchtlinge ist ein ganz klares Kriterium für den EU-Beitritt Kroatiens«.
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