Diskussionen über obskures Dossier aus Bayern halten an

Münchner Abgeordnete Nicole Gohlke bekräftigt Zweifel, ob das Papier aus dem Landesverband stammt

  • Rolf-Henning Hintze, München
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein anonymes Dossier über den bayerischen Landesverband der LINKEN sorgt in Parteikreisen für Diskussionen.

Die »Süddeutsche Zeitung« hat am Wochenende Einzelheiten aus einem Papier zitiert, das niederträchtige Handlungsanweisungen angeblich »treuer Kräfte« gegen oppositionelle Kräfte in der LINKEN Bayern beinhaltet. Landessprecher Xaver Merk solidarisierte sich mit den namentlich Betroffenen und äußerte ebenso wie die Münchner Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke Zweifel, ob das Papier überhaupt aus dem bayerischen Landesverband stammt. Gohlke findet es »offensichtlich faul«, dass es nicht in Umlauf gebracht, sondern erst durch Presseberichte bekannt wurde.

Die Abgeordnete erklärte am Mittwoch gegenüber »nd«, sie selbst und alle, mit denen sie in den vergangenen Tagen darüber gesprochen habe, hätten von dem Papier erstmals aus der Presse erfahren. Sie schließt deshalb nicht aus, dass das Papier »von außen kam« und dazu dienen soll, »Akteure in der bayerischen LINKEN zu diskreditieren und den Landesverband insgesamt im innerparteilichen Streit versinken zu lassen«. Nachdem vor wenigen Tagen bekannt wurde, dass viele linke Parlamentarier vom Verfassungsschutz überwacht werden, ist für die Abgeordnete »vieles denkbar«.

Das vierseitige Dossier mit der Überschrift »Analyse der Gegenkräfte im Landesverband Bayern« offenbart erstaunliches Insiderwissen. Es enthält konkrete Anweisungen, wie die Opposition in dem mehrheitlich gewerkschaftlich orientierten Landesverband politisch ausgeschaltet werden könnte. So wird etwa zu der Bundestagsabgeordneten Kornelia Möller geraten: »Sie muss als Lügnerin und Intrigantin gebrandmarkt werden.« Über die »Antikapitalistische Linke« (AKL) heißt es, der Personenkreis, der dieser Strömung angehört, solle »als sinister und verschlagen dargestellt werden«.

Bei der LINKEN Bayern sind Differenzen zwischen den Parteiströmungen seit Jahren stärker als in anderen Landesverbänden ausgeprägt. Mehrheitlich steht der Landesverband hinter dem Parteivorsitzenden Klaus Ernst, es gibt jedoch auch Mitglieder, die dessen Linie erbittert bekämpfen. So verließen beispielsweise bei einem Parteitag die Delegierten des Jugendverbandes fast geschlossen den Saal, als Ernst seine Rede begann. Im Landesvorstand, dem auch die Bundestagsabgeordneten Harald Weinberg und Nicole Gohlke angehören, hat der gewerkschaftsnahe Flügel eine Mehrheit, andere Strömungen sind jedoch ebenfalls vertreten.

Der Landesvorstand will sich am Wochenende bei seiner Sitzung mit dem Thema befassen. Als erschreckend bezeichnete Vorstandsmitglied Mario Simeunovic, der zur AKL gehört, gegenüber »nd« die Genauigkeit »der bis in die Intimsphäre reichenden Auskünfte über die aufgeführten Personen«. Andere Angaben über die AKL seien hingegen spekulativ. Ihm zufolge diffamiert das Dossier jedoch nicht nur Personen seiner Strömung. Als Beispiel verweist er auf den Abgeordneten Alexander Süßmair.

Für die in dem Papier ebenfalls angegriffene Münchner Stadträtin Dagmar Henn ist das Menschenbild, das darin zum Ausdruck kommt, eher rechts. Auffällig seien Begriffe wie »Gehorsam, Entschlossenheit und Treue«.

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