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Das gleiche andere Dresden

  • Stefan Thiele
  • Lesedauer: 3 Min.

Ist das wahr? Ist das die gleiche Stadt, die vor kurzem noch so hervorragend das offizielle Gedenken an die alliierte Bombardierung mit der Förderung der rechtsextremen Erinnerung an den »Bombenholocaust« zu verbinden wusste? Die gleiche Stadt, in der Polizei, Staatsanwaltschaft und konservative Politiker nur eine einzige Gefahr für die sächsische Demokratie kennen: die engagierte Zivilgesellschaft? Ist das noch das Dresden der Funkzellenabfragen, der Pepperballgeschosse, der Strafverfahren gegen BlockiererInnen? Ja - natürlich, aber etwas ist anders geworden: Die Überheblichkeit den Menschen gegenüber, die Nazis nicht für eine zu ignorierende biblische Plage halten und die Zerstörung Dresden im Kontext des deutschen Angriffs- und Vernichtungskrieges sehen, ist dahin. Die erfolgreichen, gegen Polizeiattacken, Staatsanwälte und Winterwetter durchgesetzten Blockaden haben dafür gesorgt, dass sich in Dresden etwas bewegt. Statt »Trennungsgebot« gibt es jetzt Proteste in Hör- und Sichtweite, statt Kranzniederlegungen mit NPD-Funktionären sind auf dem Heidefriedhof nun die Nazis vom städtischen Gedenken ausgeschlossen, statt auf Prügeleinsätze setzt die Polizei jetzt auf Deeskalation.

Diese Erfolge sind das sichtbare Ergebnis der Arbeit des Bündnisses »Nazifrei! Dresden stellt sich quer«, eines für die Geschichte der antifaschistischen Bewegung in der Bundesrepublik beispiellosen Zusammenschlusses. Antifa und Jusos, radikale Linke und kirchliche Arbeitskreise, Bürgerinitiativen und Gewerkschaften, Jugendverbände, Parteien, Kultureinrichtungen und Einzelpersonen haben sich in diesem Bündnis auf eine Aktionsform geeinigt, die niemanden ausschließt und sich doch nicht im allgemeinen Appell, im symbolischen Bekenntnis erschöpft: die Massenblockaden. Zusammengehalten von einem Aktionskonsens, der der Breite des Bündnisspektrums gerecht wird und gleichzeitig Grenzen definiert, hat es »Dresden nazifrei!« geschafft, dem massenhaften zivilen Ungehorsam eine breite gesellschaftliche Akzeptanz zu eröffnen. In Dresden äußerte sich dies am vergangenen Montag ganz konkret in dem spontanen Zug tausender TeilnehmerInnen der Menschenkette zum Blockadepunkt Sternplatz. Die Erfahrung, durch entschlossenes, kollektives und selbstbewusstes Handeln den Nazis die Straße tatsächlich streitig machen zu können, ist ihnen nicht mehr zu nehmen.

Für die Neonazis ist ihr Scheitern im dritten Jahr in Folge nur schwer zu verkraften: Streit, Vorwürfe, Ratlosigkeit und Verschwörungstheorien prägen die internen Diskussionen. Die auf den Endsieg eingestellten Kameraden kommen mit der Kette von Niederlagen nicht zurecht. So wird auch die eigentlich für den 18. Februar geplante Großveranstaltung, wenn überhaupt, wohl nur in Form einer klandestin organisierten Kommandoaktion stattfinden: Ein bisschen Adrenalin für den harten Kern statt Sportpalastfeeling fürs Fußvolk. Den Dresdener Blockaden ist damit etwas gelungen, was kein Verbotsverfahren, kein Verfassungsschutzspitzel und keine Menschenkette je erreichten: Sie haben als gemeinsame und mutige Aktion engagierter Bürgerinnen und Bürger die Nazis wirklich und nachhaltig geschwächt. Auch das ist heute Dresden.

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