Nazi-Spuk im Narrenzug

In Konstanz konnten Rechtsextremisten zur Fasnacht ungehindert durch die Stadt ziehen

  • Holger Reile, Konstanz
  • Lesedauer: 3 Min.
In Konstanz war man bisher der Meinung, dass es sich bei der Neonaziszene in der Region um eher harmlose Einzelpersonen handelt. Doch der Schein trügt, die Rechtsradikalen am Bodensee rüsten ständig auf. Nun zogen sie sogar im Fasnachtsumzug mit.
Von der Polizei angeblich unbemerkt: Nazitrupp im Konstanzer Fasnachtsumzug vom letzten Sonntag
Von der Polizei angeblich unbemerkt: Nazitrupp im Konstanzer Fasnachtsumzug vom letzten Sonntag

Zehntausende zogen am vergangenen Sonntag ausgelassen und fröhlich durch die Konstanzer Innenstadt. Der große Fasnachtsumzug gilt traditionell als einer der Höhepunkte der närrischen Zeit am Bodensee. Mittendrin tauchte plötzlich eine Gruppe schwarz gekleideter Personen auf, die alle weiße Gesichtsmasken trugen.

Die weißen Masken zogen mit einem Transparent durch die Konstanzer Gassen, auf dem deutlich zu lesen war: »Narri Narro - Der Untergang naht, seid ihr froh?« Dazu der Verweis auf Webadressen der Naziszene am Bodensee. Ungehindert konnten die Neonazis durch die Stadt marschieren, niemand protestierte gegen die rechtsradikale Propaganda.

Staatsschutz ermittelt

Sie verteilten Bonbons an die Kinder und Wurfzettel mit Begriffen wie: »Heimat«, »Volk« oder »Leben«, die ebenso mit dem Hinweis auf Internetadressen der Rechtsradikalen aus dem Landkreis Konstanz versehen waren. Die den Umzug begleitende Polizei bemerkte die Rechtsradikalen angeblich nicht, die sich »Freie Kräfte Hegau-Bodensee« nennen und nicht zum ersten Mal auf sich aufmerksam machten. Erst nachdem der Naziaufmarsch über einige Medien publik geworden war, nahmen Staatsanwaltschaft und Staatsschutz kürzlich die Ermittlungen auf.

Bleibt zu hoffen, dass sich diese als erfolgreicher erweisen als jene vor fünf Jahren. Damals versuchte ein rechtsradikaler Schlägertrupp, einen städtischen Raum zu stürmen, in dem im Beisein von Schülern und Jugendlichen eine antifaschistische Ausstellung eröffnet wurde. Nur durch ein massives Polizeiaufgebot konnten die Neonazis davon abgehalten werden, über die Ausstellungsbesucher herzufallen. Anschließende Ermittlungen gegen die Angreifer verliefen im Sande und wurden aus unerfindlichen Gründen schließlich eingestellt.

Bei der fasnächtlichen Aktion in Konstanz handelt es sich um eine relativ neue Aktionsform der rechtsradikalen Szene, die auf die Neonazigruppe »Spreelichter« aus Südbrandenburg zurückgeht und bundesweit immer mehr Nachahmer findet. Bei den »Die Unsterblichen« genannten Aufmärschen, die an Flashmobs erinnern, treffen sich Neonazis spontan und meist mit weißen Masken maskiert und protestieren gegen die angebliche »Versklavung des deutschen Volkes« durch »Marionetten des globalen Kapitals«.

Drohung für den 16. März

In Konstanz war man bisher der Meinung, dass es sich bei der Neonaziszene um eher harmlose Einzelpersonen handelt. Doch der Schein trügt, denn die Rechtsradikalen am Bodensee rüsten ständig auf. Sie sind dabei, eine intakte In-frastruktur aufzubauen und betreiben mittlerweile professionelle Seiten im Internet.

Rund um den See gibt es Anlaufstellen, vor allem in Singen und in Friedrichshafen, wo in den letzten Jahren auch immer wieder größere Naziaufmärsche stattfanden. Die Neonazis sind über die Grenzen hinweg vernetzt und pflegen gute Kontakte zu Gleichgesinnten in der nahen Schweiz oder im benachbarten Vorarlberg. Nicht selten kommen dort bei Skinkonzerten bis zu 1000 Rechtsradikale aus dem Dreiländereck im Südwesten zusammen.

Und sie werden auch vor Ort aggressiver. Mehrmals schon wurden die »nationalen Kameraden« über Internet aufgerufen, doch mal die »roten Zecken« von der Konstanzer VVN (»Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes«) zu »besuchen«. Für den 16. März drohen die Neonazis am Bodensee schon jetzt eine »Sabotage« an. An diesem Tag will das demokratische Spektrum in Konstanz gegen die rechte Gewalt protestieren.

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