Eine »Unperson« kommt zu verdienten Ehren
Multimediale Installation wird im Redaktionsgebäude des »neuen deutschland« an Willi Münzenberg erinnern
Zunächst nimmt man nur eine dunkle Silhouette wahr, garniert mit hellen Zitaten aus dem Jahr 1939: »Wir lehnen es ab, ... einem fremden, unabhängigen Volk den Kommunismus zu schenken oder mit Gewalt aufzuzwingen.« Tritt man in den Vorraum zum Saal, schaut er den Besucher freundlich, gar etwas verschmitzt an: Willi Münzenberg, in der rechten Hand seinen Hut haltend, in der Linken die Aktenmappe.
Im Tagungssaal des Bürohauses am Franz-Mehring-Platz 1, der seit 2006 den Namen Willi Münzenbergs trägt, soll fürderhin an den KPD- und Komintern-Funktionär erinnert werden, der eines der größten Presse- und Verlagskonsortien leitete. Die »Ästhetik des Widerstandes« von Peter Weiss hatte Matthias Schindler, Geschäftsführer der Communio Gesellschaft, die Gesellschafter des »nd« ist, erstmalig auf Münzenbergs Schicksal aufmerksam gemacht: »Heute erst, im Herbst Siebenunddreißig, konnte er sehn, ... wie in Anspielungen hier und da Münzenbergs Vergangenheit abgeändert, wie Verdienste ihm abgesprochen wurden ... Es lag darin die zähe, ingrimmige Entschlossenheit; ihn auszulöschen.« Der Ingrimm schlug in Hass um, nachdem dieser im Oktober 1939, nach Abschluss des sogenannten Hitler-Stalin-Paktes. in seinem antifaschistischen Blatt »Die Zukunft« leidenschaftlich-erzürnt ausrief: »Der Verräter, Stalin, bist du!«
Da war Münzenberg schon exkommuniziert. Seinem Ausschluss aus der Partei ist er durch Austritt zuvorgekommen, wie Uwe Sonnenberg, Kurator der geplanten multimedialen Schau, informierte. Der 35-jährige Historiker, Promotionsstudent der ebenfalls im Hause am Franz-Mehring-Platz residierenden Rosa Luxemburg-Stiftung, gab Einblicke in Münzenbergs Leben und Werk, beginnend mit dem 27. Februar 1933. Der kommunistische Reichstagsabgeordnete hatte an jenem Tag eine mitreißende Rede in Langenselbold, nahe Frankfurt am Main, gehalten; zehn Minuten, nachdem er die Wahlkampfveranstaltung verlassen hatte, rückte ein SA-Kommando an, um ihn zu verhaften. Am nächsten Tag floh er mit Babette Gross, seiner Lebensgefährtin, nach Paris. Später wird Walter Ulbricht ihm vorwerfen, sich nicht zuvor in der Parteizentrale in Berlin ordnungsgemäß abgemeldet zu haben. Und Wilhelm Pieck wird ihn als gefährlicher denn Trotzki einstufen. Münzenberg aber wusste nach dieser Brandnacht vom 27./28. Februar 1933: »Hitler sitzt fest im Sattel … Sein Regime wird lange dauern, jahrelang, wahrscheinlich müssen wir mit acht bis zehn Jahren rechnen.«
Kaum in Paris eingetroffen, organisierte und bündelte er die Aufklärung über und Aktivitäten gegen die faschistische Diktatur, rief Hilfskomitees in Leben, legte bereits im August das »Braunbuch« zur Verteidigung der im Monat darauf im Leipziger Reichstagsbrandprozess angeklagten Kommunisten, Dimitroff & Genossen, vor und inspirierte das Gegen-Tribunal in London.
Sonnenberg nannte Münzenberg den besten Propagandisten, den der deutsche Kommunismus je hervorgebracht hat, würdigte ihn als umtriebigen Verleger, vorausschauenden Förderer des noch jungen Mediums Film (Meshrapom/Prometheus), Initiator von Kongressen gegen Kolonialismus, Imperialismus und Krieg, vor allem aber als Begründer des Lutetia-Kreises in Paris, des ersten Ausschusses zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront, die von der KPD-Spitze irriger- und fatalerweise boykottiert wurde. Münzenberg stand für einen revolutionären Sozialismus und Einheit der Linken in ihrer Vielfalt, von der jene, so Sonnenberg, die vor 40 Jahren den Grundstein zum Redaktionsgebäude des Zentralorgans der SED gelegt hatten, nichts mehr wissen wollten. Fairerweise wäre hier zu ergänzen, dass aus der Feder eines einstigen stellvertretenden Chefredakteurs des alten ND ein bemerkenswerter Band erschien, den niemand, der sich mit der ehemaligen »Unperson« beschäftigt, ignorieren kann: Harald Wessels »Münzenbergs Ende«.
Ein Leporello am Eingang des Tagungsaals informiert über die Gliederung der geplanten Exposition. In einer Vitrine liegen Presserzeugnisse und das »Braunbuch« aus. Zur Vorstellung des Projektes waren auch zeitgenössische Filme zu sehen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.