Keine Linke für die LINKE

Bundespräsidentenkandidatin Beate Klarsfeld stellt sich offiziell der Hauptstadtpresse vor

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.
Beate Klarsfeld gilt gegen Joachim Gauck in der Bundespräsidentenwahl als chancenlos. Wenn sie nicht gewählt werden sollte, hofft die Linkspartei, dass ihr wenigstens das Bundesverdienstkreuz verliehen wird. Dass Klarsfeld den Konservativen Nicolas Sarkozy im französischen Wahlkampf unterstützt, kann den Enthusiasmus der LINKEN nicht trüben.

Die Linkspartei sieht die Kandidatur von Beate Klarsfeld auch als Chance, dass der Frau, die Nazitäter im Ausland aufspürte, hierzulande endlich die verdiente Anerkennung zuteil wird. Geehrt wurde sie bereits in den USA, Israel und in ihrer Wahlheimat Frankreich. In Deutschland wurde dagegen eine Ehrung mit dem Bundesverdienstkreuz bisher abgelehnt.

»Sollte sie nicht gewählt werden, hoffe ich, dass der neue Bundespräsident ihr den höchsten deutschen Orden verleiht. Deutschland müsste stolz sein auf Beate Klarsfeld«, sagte Linksfraktionschef Gregor Gysi beim ersten gemeinsamen Pressetermin mit der Kandidatin sowie den Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst vor der Berliner Bundespressekonferenz. Laut Ernst werde Klarsfeld nicht als LINKE-Kandidatin aufgestellt, sondern als eine überparteiliche Alternative zu Joachim Gauck. »Mit mir als Bundespräsidentin wäre eine Person im Amt, die das Image Deutschlands im Ausland verbessert hat«, erklärte Klarsfeld. Sie würde Stimmen aus CDU/CSU und FDP bei der Wahl am 18. März in der Bundesversammlung auch als eine Art Versöhnung betrachten. »Ich habe schließlich einen CDU-Kanzler geohrfeigt«, sagte die Kandidatin der Linkspartei am Mittwoch in einem nd-Interview. Und auch die Karriere des FDP-Politikers Ernst Achenbach habe sie zu beenden geholfen, der für die Verschleppung von Juden aus Frankreich mitverantwortlich war.

Ihr antifaschistisches Engagement findet in der Bundesrepublik jedoch noch immer nicht ungeteilte Zustimmung. Lutz Rathenow, Sächsischer Landesbeauftragter für die Stasiunterlagen, meinte, Klarsfeld für ihre Recherchemethoden kritisieren zu können. Sie habe von der Stasi »immer wieder Material bekommen«, sagte Rathenow dem »Tagesspiegel«. Dabei berief er sich auf Aussagen von MfS-Offizieren und Stasiakten. Das MfS habe Klarsfeld unter anderem in den 60er Jahren mit Material über den damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) versorgt. Dieser war als NSDAP-Mitglied Mitarbeiter der Auslandsrundfunkpropaganda gewesen. Rathenow warf der Bundespräsidentenkandidatin »Gleichgültigkeit gegenüber den potenziellen Methoden der Staatssicherheit« vor.

Aus ihrer Zusammenarbeit mit der DDR hat Klarsfeld indes nie ein Geheimnis gemacht. »Ich habe dort gemeinsam mit meinem Mann Serge zu Recherchezwecken die Archive einsehen können«, erklärte sie.

Positiv wurde die Nominierung Klarsfelds dagegen von der VVN-BdA aufgenommen. Ihr Bundessprecher Ulrich Sander, der von der Linksfraktion im NRW-Landtag in die Bundesversammlung gewählt wurde, sagte gegenüber »nd«: »Mit der Kandidatur wird ihr Kampf gewürdigt und zugleich erhält er neue Impulse. Deutsche Renten für SS-Verbrecher im Baltikum und die Weigerung, NS-Opfer in Griechenland und Italien zu entschädigen und die Täter zu bestrafen weisen ebenso auf weitere antifaschistische Aufgaben hin wie der Terror der Neonazis in Deutschland. Ich freue mich, dabei weiter mit Beate zusammenzuarbeiten.« Sander hatte Ende der 60er Jahre Pressearbeit für Klarsfeld gemacht.

Auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, betonte: »Frau Klarsfeld ist eine starke und anerkannte Frau. Wer sich sein ganzes Leben lang der Aufarbeitung von NS-Verbrechen, der Verantwortung und dem Gedenken an die Shoa widmet, ist für mich eine bemerkenswerte Persönlichkeit.« Zudem äußerte Graumann die Hoffnung, dass Klarsfelds »enthusiastisches Engagement für Israel nun sogar auch noch ein wenig auf die Linkspartei abfärben könnte«.

Die Solidarität der Bundespräsidentenkandidatin mit Israel sieht die Spitze der LINKEN nicht im Widerspruch zu ihren Positionen, obwohl viele Abgeordnete der Linkspartei scharfe Kritiker von Israels Politik vor allem gegenüber den Palästinensern und den arabischen Nachbarstaaten sind. »In unserem Parteiprogramm haben wir verankert, für das Existenzrecht Israels einzutreten«, sagte Lötzsch. Dies verbinde die Linkspartei mit Klarsfeld. »Aber wir kämpfen auch für einen lebensfähigen palästinensischen Staat«, ergänzte Gysi.

Trotz ihres Einsatzes zur Auffindung von Naziverbrechern lässt sich Klarsfeld nicht als politisch links einordnen. So unterstützt sie im französischen Präsidentschaftswahlkampf den konservativen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy, obwohl sich dieser etwa mit seinen harten Maßnahmen gegen die Minderheit der Roma und der Ankündigung, ein strengeres Asylrecht durchzusetzen, als rechter Hardliner präsentiert hat. Beraten wird Sarkozy von seinem Vertrauten Arno Klarsfeld. Er ist der Sohn von Serge und Beate Klarsfeld.

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