Tarifverträge - kaum bekannt bei Film und Fernsehen

Verhandlungen für Arbeiter vor und hinter der Kamera sind schwierig

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 3 Min.
In Filmen und im Fernsehen ist häufig heile Welt angesagt. Doch für diejenigen, die diese vor und hinter der Kamera schaffen, ist vor allem die Bezahlung weit entfernt davon.

Am 1. April 2010 forderte Uli Hoeneß, Boss von Bayern München, einen Bundesliga-Soli-Aufschlag von einem Euro bei den Fernsehgebühren zu Gunsten der »armen Vereine«. Vor wenigen Wochen zog die »Allianz deutscher Produzenten - Film und Fernsehen« nach. Doch Deutschlands Zulieferer der Ware in Film und Fernsehen hatten keinen Faschingsscherz im Sinn. Seit Jahren haben die deutschen Fernsehsender die Etats für Filme, Serien oder Shows mit Verweis auf die stagnierenden Fernsehgebühren eingefroren.

Auf der anderen Seite haben ver.di und die Filmschaffenden Ende November mit der Allianz nach jahrelangen Verhandlungen eine Erhöhung der Gagen in Höhe von acht Prozent für die rund 10 000 Film- und Fernsehschaffenden vereinbart. Ursprünglich hatte die Gewerkschaft 16 Prozent gefordert. Der Erfolg kommt vor allem bei denen an, die es am dringendsten brauchen, weil ihre Gagen am unteren Ende der Skala liegen. Ab Juli 2012 werden alle Wochen-Gagen um 35 Euro erhöht, ein halbes Jahr später folgen nochmals pauschal zehn Euro. Im Januar 2013 werden außerdem linear zwei Prozent mehr gezahlt.

Die Umsetzung der Tarifvereinbarung für alle Mitarbeiter, die hinter der Kamera arbeiten, hat allerdings einige Tücken. Nicht alle Produzent sind tarifgebunden und kann alle Vereinbarungen über die Bezahlung der regulären Arbeit und von Überstunden oder zur Arbeitszeitbegrenzung mit der Gewerkschaft ignorieren.

Die Produzenten ihrerseits können die Kosten nur an ihren Auftraggeber weiter geben, wenn dieser ARD und ZDF heißt. Mit den öffentlich-rechtlichen Sendern schloss der Verband der Produzenten 2010 Vereinbarungen, nach denen die mit den Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge als Grundlage für die Kalkulation von Budgets ihrer Projekte anerkannt werden. Mit den privaten Sendern wird über Vereinbarungen über die so genannten Terms of Trade verhandelt. Doch bis es so weit ist, muss der Produzent individuell mit der RTL- oder Pro7/Sat1 Media-Group verhandeln, um nicht auf den Kosten für höhere Löhne sitzen zu bleiben.

Aber auch bei ARD und ZDF werden die Budgets für die Produktion von fiktionalen Programmen nicht steigen. Die Ankündigung der Ministerpräsidenten der Länder, die Rundfunkgebühr bis 2014 auf dem gegenwärtigen Stand einzufrieren, ließe dazu keinen Spielraum, heißt es aus den Sendern. Beim Zweiten soll nun gemeinsam mit den Produzenten bei den Kosten genauer hingeschaut und die Drehbücher nachbearbeit werden. Mal sei vielleicht ein teurer Helicopter-Flug verzichtbar oder die Anmietung einer teuren Location.

Nicht ausgeschlossen wird, statt bekannten Schauspielern unbekanntere Namen zu besetzen. Doch auch bei den Schauspielern sieht es nicht rosig aus. Der Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS) beklagt seit langem Tagesgagen, die unter denen eines Hundes liegen. Gemeinsam mit ver.di verhandelt der BFFS erstmals mit den Produzenten über einen Gagentarifvertrag. Die Vorstellungen liegen weit auseinander. »Wir haben im Sommer ein Mindesttageshonorar von 500 Euro angeboten und sind auch bereit, eine Sonderregelung für die ausgebildeten oder hauptberuflichen Schauspieler einzugehen. Die Forderung des BFFS von 250 Euro, die ausdrücklich auch für Laiendarsteller oder Schauspielschüler gilt, ist meilenweit von jeder Realität entfernt und mit den bekanntlich extrem knappen Budgets schlicht nicht zu bezahlen,« erklärte Christoph E. Palmer, Geschäftsführer der Produzentenallianz, zum Stand der Gespräche.

Nicht ausgeschlossen wird bei Sendern und Produzenten, Drehtage einzusparen. Das fällt Filmschaffenden und Schauspielern in der Renten- und Arbeitslosenversicherung auf die Füße. Während eines Drehs sind sie angestellt und müssen die gesetzlich geforderten Versicherungsbeiträge zahlen. Arbeitslosengeld bekommen sie nur selten, weil nur eine Minderheit der Mitarbeiter vor und hinter der Kamera die erforderliche Mindestzahl an Arbeitstagen erreicht. Viele rutschen so in den Drehpausen in Hartz IV ab, Altersarmut ist vorprogrammiert.

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