Terror

Jörg Baberowski erhielt den Sachbuch-Preis der Leipziger Buchmesse

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.

Geschichte wühlt, das Vergangene brodelt. Die einen meinen, der Fokus auf historische Prozesse und Probleme des Stalinismus folge prinzipiellen denunziatorischen Absichten gegen die rote Utopie - andere sind der Ansicht, just die schmerzlichste, radikale Abrechnung sei der einzige Weg ehrlicher Erinnerung - für humane Ausblicke. Mit seinem Buch »Verbrannte Erde« erzählt Jörg Baberowski, gestriger Gewinner des Sachbuch-Preises der Leipziger Buchmesse, auf eindringliche Weise die Geschichte des Stalinschen Terrors.

Der Professor für Geschichte Osteuropas an der Humboldt-Universität Berlin, geboren 1961 in Radolfzell am Bodensee, hat bereits mehrere Publikationen zum Thema vorgelegt, etwa »Der Feind ist überall. Stalinismus im Kaukasus«, »Der rote Terror. Die Geschichte des Stalinismus«. »Zivilisation der Gewalt. Die kulturellen Ursprünge des Stalinismus« lautete der Titel seiner Berliner Antrittsvorlesung. In Göttingen studierte er Philosophie und Geschichte, begann mit Arbeiten über Autokratie und politische Justiz im Zarenreich. Nach einem kurzen Lehrstuhl-Aufenthalt an der Universität Leipzig kam er 2002 nach Berlin, war vier Jahre lang Geschäftsführender Direktor am Institut für Geschichtswissenschaft.

Baberowski schreibt Geschichte, als sei sie ein Roman. Die Epoche jubelt, keucht, atmet schwer, liegt im Dreck, blutet, flucht, zwingt sich trotzige Hymnen zwischen die Zähne. Als sei sie ein lebendiges Wesen, nicht nur Struktur. Der Leser erfährt jene grausame Logik: dass nach all den furchtbaren Kriegswirren, Hungers- und Organisationsproblemen infolge der Oktoberrevolution offenbar nur eine noch größere Furchtbarkeit Ordnung würde schaffen können. Gnadenlose Ordnung. Harte, blutige Ordnung. Aber wo es sie denn gab, und wo es gelang, das Ideal doch wieder ein Stück über den Schmutz zu retten, da war zugleich und unrettbar ein nächstes Stück Unschuld dieser Revolution verloren. Verloren für immerdar. Ein Verlust, der mit Stalins Tod nicht aufgehoben werden konnte, aber: »Chruschtschows Entstalinisierung war eine Kulturrevolution, eine zivilisatorische Leistung, die das Leben von Millionen veränderte.«

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