Franzosen extrem beunruhigt
Nach den Terrortaten geht im Süden die Angst um
Den bisherigen Ermittlungen zufolge kann es sich bei dem Täter auch um einen Amok laufenden Rassisten handeln, denn alle erschossenen Militärs waren nordafrikanischer Abstammung und ein von ihm in Montauban lebensgefährlich angeschossener Soldat hat schwarze Hautfarbe.
Diese Hypothese erhielt jetzt durch die gezielte Tat gegen eine jüdische Schule neue Nahrung. Die Militärs aller Standorte in Südfrankreich sollen bis auf Weiteres möglichst in den Kasernen bleiben oder diese zumindest nicht in Uniform verlassen. Der Polizeischutz vor den jüdischen Schulen wird in ganz Frankreich verstärkt und auch auf die muslimischen Privatschulen ausgedehnt.
Der Verband der Rabbiner in Europa forderte mehr Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Einrichtungen. Das Pariser Innenministerium ordnete eine verschärfte Überwachung jüdischer Einrichtungen in Frankreich an.
Für diesen Dienstagmorgen hat Präsident Nicolas Sarkozy für alle Schulen im Lande eine Gedenkminute angeordnet.
Es konnte nicht ausbleiben, dass das tragische Ereignis Gegenstand des auf vollen Touren laufenden Präsidentschaftswahlkampfes wurde. So hat Sarkozy, der um seine Wiederwahl kämpft, der Schule in Toulouse bereits am Montagvormittag einen Besuch abgestattet, um den Lehrern, Schülern und Eltern sein Mitgefühl und die Solidarität aller Franzosen zu bekunden.
Mit demselben Anliegen fuhren dort im weiteren Verlaufe des Tages auch die Kandidaten der Sozialistischen Partei und des Zentrums, François Hollande und François Bayrou, vor. Die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen erklärte, die Ereignisse hätten sie so stark bewegt, dass sie einen für den Abend geplanten Fernsehauftritt abgesagt habe.
Das Verbrechen in Toulouse gilt als einer der mörderischsten Anschläge auf eine jüdische Einrichtung seit drei Jahrzehnten. 1982 hatte ein Mordkommando im jüdischen Viertel in Paris in der Rue des Rosiers in einem Restaurant sechs Menschen umgebracht.
In der Region geht unterdessen die Furcht vor weiteren Anschlägen um. Der Bürgermeister von Toulouse, Pierre Cohen, hob im TV-Nachrichtensender BFM die Kaltblütigkeit des Täters hervor: »Wir sind extrem beunruhigt.«
Vertreter jüdischer Gemeinden und der jüdische Weltkongress (JWC) äußerten sich entsetzt. JWC-Präsident Ronald Lauder sprach von einem »verabscheuungswürdigen Terroranschlag« und sprach den Familien der Opfer sein Beileid aus.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem »verabscheuungswürdigen Mord an Juden, darunter kleine Kinder«, um einen Akt »gewaltsamen und mörderischen Antisemitismus'« handele. Außenministeriumssprecher Jigal Palmor sagte, Israel vertraue auf die Ermittlungsbehörden, dass »alles ans Licht kommt«.
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