Kampf um ACTA-Akten

Ein Mann will mehr über die Verhandlungen des umstrittenen Abkommens erfahren, doch das Justizministerium mauert

Die Aufmerksamkeit für das Urheberrechtsabkommen ACTA nimmt nicht ab. Um die angekündigte Transparenz müssen die Kritiker allerdings weiter kämpfen.

Transparenz und Aufklärung hatte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in Sachen ACTA versprochen. Ein Mann nahm die FDP-Politikerin beim Wort und begehrt mittels Informationsfreiheitsgesetz (IFG) Auskunft über die Verhandlungen zu dem umstrittenen Handels- und Urheberrechtsabkommen. Doch das Ministerium mauert. Jetzt sind Internetaktivisten richtig sauer und lassen sich das auch etwas kosten: Innerhalb von drei Tagen spendeten sie 7000 Euro, damit der Mann Widerspruch einlegen und gegebenenfalls klagen kann.

Der ACTA-Vertrag regelt unter anderem die »Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums im digitalen Umfeld«. Die Gegner kritisieren, das Abkommen sei in Geheimverhandlungen unter Mitwirkung von Lobbyisten der Industrie zustande gekommen. Sie sehen die Freiheit des Internets in Gefahr. Zehntausende Menschen protestierten Mitte Februar in vielen europäischen Ländern gegen das Abkommen. In Deutschland setzte das Justizministerium daraufhin die Unterzeichnung vorläufig aus und forderte seinerseits von der EU-Kommission Aufklärung über »offene Fragen«.

Das ist auch die Absicht von Mathias Schindler. Über die Plattform fragdenstaat.de wollte er von der Bundesregierung wissen, wer für die Bundesrepublik bei den ACTA-Verhandlungen mit am Tisch saß. Die Plattform soll es Bürgern erleichtern, ihr Recht auf Informationsfreiheit zu nutzen und Auskünfte von Bundesbehörden über ihre Arbeit zu erlangen. Nach dem IFG sind auch Namen von Beschäftigten nicht tabu. Das Bundesverwaltungsgericht entschied zudem im November, dass die gesamte Tätigkeit der Bundesministerien unter das IFG falle.

Doch das Justizministerium will die Namen der Beteiligten nicht nennen. Das könne »die öffentliche Sicherheit gefährden«, bekam Schindler zur Antwort, einzelne Personen könnten im Netz persönlich angegriffen werden. Zur Begründung führt das Ministerium die »emotionalen Diskussionen« im Internet an, bei der auch »ehrverletzende Äußerungen und Drohungen mit Gewalt« gegen an ACTA beteiligte Personen ausgesprochen würden. Es beschränkt sich deshalb darauf, die Ressorts zu nennen, die bei den elf Verhandlungsrunden zwischen 2008 und 2010 vertreten waren: überwiegend das Justizministerium, zweimal das Wirtschaftsministerium, zweimal das Auswärtige Amt.

Die Netzgemeinde fühlt sich durch die Auskunftsverweigerung in ihrer Kritik bestätigt. Zahlreiche Kommentare auf Seiten wie netzpolitik.org ermuntern Schindler, auf keinen Fall locker zu lassen. Das hat dieser auch nicht vor. Mit dem Geld will er Widerspruch gegen die Weigerung einlegen. Zudem will er eine interessante Frage nachreichen: Und zwar wünscht er alle »Dokumente zu den einzelnen Sitzungen und Schreiben an und von den Delegationen an das Ministerium« einzusehen. Die Erfüllung dieses Informationsersuchens könnte bis zu 500 Euro kosten, beschied das Ministerium, »umfangreiches Aktenmaterial« sei zu sichten und zusammenzustellen. Schindler hatte die Frage deshalb zunächst zurückgezogen.

Die ACTA-Gegner beschäftigen aber nicht nur die Regierung weiter, sondern auch den Bundestag. Über 60 000 Menschen haben eine heute endende E-Petition mit der Aufforderung an die Politik unterzeichnet, die Ratifizierung von ACTA auszusetzen. Nun muss es im Bundestag eine Anhörung zum Thema geben - die dafür nötige Marke von 50 000 Unterstützern war bereits letzte Woche erreicht.

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