Unverbindlicher Atomgipfel
Treffen in Seoul bekräftigt Kampf gegen Nuklearterrorismus
Mehr noch als Nordkoreas nächster Raketentest schien am Ende eine Mikrofonpanne die eigentliche Tagesordnung des zweitägigen Atomgipfels zu überlagern: USA-Präsident Barack Obama teilte seinem russischen Amtskollegen Dmitri Medwedjew am Rande der Konferenz mit, er müsse seine Wiederwahl abwarten, dann könne man auch »flexibler« an die von Moskau abgelehnte NATO-Raketenabwehr in Europa herangehen. Sätze, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren, schon gar nicht mit Blick auf den US-amerikanischen Wahlkampf. Für die Republikaner ein gefundenes Fressen.
Der Präsident gebe im Wahlkampf den harten Außenpolitiker, aber nach seiner Wiederwahl werde er wohl vor Moskau kuschen, so Mitt Romney, noch immer Favorit unter den konservativen Präsidentschaftsbewerbern, gegenüber CNN. Doch Obama ging noch in Seoul in die Offensive. Er habe bei den Verhandlungen mit Russland nichts zu verbergen. Wer die Atomarsenale abbauen wolle, müsse Vertrauen und Kooperation in Sachen Raketenabwehr aufbauen.
Vertrauensvolle Zusammenarbeit ist auch für die Durchsetzung weltweiter nuklearer Sicherheit erforderlich. Und die Vertreter von 53 Staaten, darunter Dutzende Staats- und Regierungschefs, bekräftigten zum Abschluss der Beratungen in Seoul ihren Willen, alles zu tun, damit atomwaffenfähiges Material nicht in die Hände von Terroristen gelangt. Schon beim ersten Gipfel vor zwei Jahren in Washington waren grundsätzliche Ziele wie die bessere Sicherung von nuklearen Bestandteilen, die Verhinderung des illegalen Nuklearhandels oder die Verminderung des Gebrauchs von hochangereichertem Uran (HEU) in Reaktoren vereinbart worden, einem Ausgangsstoff für Atombomben.
Auch deshalb war es reichlich übertrieben, als der Gipfelvorsitzende, Südkoreas Präsident Lee Myung Bak, gestern von einem weiteren »Meilenstein« im Kampf gegen die nuklearen Risiken sprach. Denn erneut blieben die Beschlüsse unverbindlich. Das betrifft auch eine deutsche Initiative zur besseren Sicherung zivil genutzter hoch radioaktiver Strahlenquellen in Medizin, Forschung und Materialtechnik. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon brachte es mit seiner Einschätzung auf den Punkt: »Die Welt braucht ein überprüfbares und rechtlich bindendes Abkommen über den Umgang mit Spaltmaterial.«
Und so richtig es ist, wenn die Seouler Abschlusserklärung Atomterrorismus als eine der »weiter größten Bedrohungen der internationalen Sicherheit« bezeichnet, dauerhafte nukleare Sicherheit erfordert letztlich vor allem radikale atomare Abrüstung, bis hin zur Abschaffung aller Kernwaffen. Davon war jetzt in Südkorea gleich gar nicht die Rede. In zwei Jahren soll in den Niederlanden der nächste Gipfel folgen.
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