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Ein Hauch von Opposition

SPD-Troika verzichtet auf Junktim zwischen ihrer Zustimmung zum Fiskalpakt und der Finanzmarktsteuer

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die möglichen SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück machen ihre Forderungen nach einer Finanzmarktsteuer und Wachstumsinitiativen nicht zu Bedingungen für die Zustimmung zum EU-Fiskalpakt.

Die SPD-Troika bemüht sich, Einigkeit zu demonstrieren. In einem gemeinsamen Beitrag für die Sonntagsausgabe der konservativen »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« haben Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück ein Signal an Bundeskanzlerin Angela Merkel gesendet. Zwar wollen die Sozialdemokraten an ihren Forderungen nach Einführung einer Finanztransaktionssteuer und europäischen Wachstumsinitiativen festhalten, aber diese machen sie nicht zur Bedingung für ihre Zustimmung zum EU-Fiskalpakt.

Damit haben sich nun offensichtlich unter den möglichen SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück und Steinmeier gegen Gabriel durchgesetzt, der eine härtere Gangart gegen Merkel gefordert hatte. Der Parteivorsitzende wollte bei den anstehenden Gesprächen mit der Bundesregierung die komfortable Situation nutzen, dass die Bundeskanzlerin bei den Abstimmungen im Bundestag und Bundesrat über den Fiskalpakt auf die Stimmen der größten Oppositionsfraktion angewiesen ist. Schwarz-Gelb benötigt eine Zweidrittelmehrheit, weil durch den Pakt signifikante Hoheitsrechte auf die europäische Ebene übertragen werden.

Dagegen vermieden Steinmeier und Steinbrück in ihren Stellungnahmen stets, ein Junktim zwischen den eigenen Forderungen und der Zustimmung zum Fiskalpakt herzustellen. Der interne Streit gipfelte in der sogenannten SMS-Affäre, als Gabriel ohne Rücksprache mit Steinmeier Anfang März Kurzmitteilungen an Parteifreunde verschickt und darin Sympathie für ein Veto gegen den Fiskalpakt geäußert haben soll.

Dass Gabriel nun auf den Kurs seiner Kontrahenten eingeschwenkt ist, dürfte zum einen dem Umstand geschuldet sein, dass beim Treffen der EU-Finanzminister am Wochenende in Kopenhagen die Einführung einer Finanzmarktsteuer aufgrund des Widerstandes unter anderem von Schweden und Großbritannien vorerst auf Eis gelegt wurde.

Der »FAZ«-Beitrag zeigt aber auch, dass die Sozialdemokraten sich noch immer an Grundsätzen der Schröderschen Agenda-Politik und ihrem Wirken in der Großen Koalition orientieren. So findet sich kein kritisches Wort über die Maßnahmen des Fiskalpakts, der etwa die europaweite Einführung von Schuldenbremsen und weitgehend automatische Sanktionen bei Verstößen vorsieht. Vielmehr rühmt sich die SPD-Troika damit, dass ihre Partei daran mitgewirkt hatte, ein ähnliches Spardiktat vor drei Jahren in der Bundesrepublik durchzusetzen. »Die Zeit des bedenkenlosen Schuldenmachens ist vorbei. Der fiskalische Problemberg ist zu lebensbedrohender Höhe angewachsen. Nicht zuletzt deshalb ist die ›Schuldenbremse‹ von uns Sozialdemokraten aktiv vorangebracht und in der Verfassung verankert worden«, heißt es in der »FAZ«.

Staatstragend schreiben die drei SPD-Männer: »Es geht bei den Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und uns nicht darum, dass CDU/CSU und FDP der SPD irgendwie ›entgegen kommen‹.« Vielmehr will die Troika sicherstellen, dass der Fiskalpakt wirksam wird.

Der »neoliberalen Ideologie und der Entgrenzung der Finanzmärkte« wollen sie angeblich die »Europäisierung der sozialen Marktwirtschaft« entgegensetzen. Neben der verkürzten Kapitalismuskritik, die als Schuldigen für die Wirtschafts- und Finanzkrise allein den Finanzmarktkapitalismus identifiziert, bleibt auch ihr Begriff der sozialen Marktwirtschaft recht vage. Denn bei dieser geht es nicht allein um die Schaffung von Jobs und Wachstum, sondern auch darum, dass ein soziales Netz diejenigen vor wirtschaftlicher Not schützt, die auf dem Arbeitsmarkt chancenlos sind. Zwar behauptet die Troika, sie vertrete die Idee eines »handlungsfähigen Staates in einer sozial verpflichteten Marktwirtschaft«, aber inwieweit sich der Schröder-Schüler Gabriel und die Agenda-Architekten Steinbrück und Steinmeier dem Sozialstaat wirklich verpflichtet fühlen, ist zweifelhaft. Mit einer Zustimmung zum Fiskalpakt würde die SPD jedenfalls dazu beitragen, auch die Reste dieses Modells in der Europäischen Union zu zerstören.

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