Mit Fäden malen

Galerie Leo.Coppi, Berlin: Der Textilkünstlerin Elrid Metzkes zum 80.

  • Peter H. Feist
  • Lesedauer: 4 Min.

Künstlerfamilien finden immer Aufmerksamkeit bei Kunstinteressierten. Früher konnten fast nur ihre männlichen Mitglieder aus ihrer Begabung einen Beruf machen. Das hat sich zwar seit Langem geändert, doch haben es Frauen noch immer schwerer, einen angemessenen Platz auf der Kunstszene zu erlangen und die gleiche Anerkennung wie Männer zu bekommen. Wie weit das daran liegt, dass es eine Geschlechtsspezifik im Verhalten zur Welt und in der künstlerischen Äußerung gibt, wird von der Genderforschung (engl. gender = Geschlecht) diskutiert. Die gelegentliche Behauptung, dass weibliche Kunst nur von Frauen verstanden werden könne, schlösse umgekehrt alle Frauen vom Verständnis aller Kunst früherer Zeiten aus.

Eine kleine, höchst anziehende Berliner Ausstellung könnte die Diskussion bereichern. Die tatkräftigen Galeristinnen Doris Leo und Helle Coppi zeigen sie anlässlich des 80. Geburtstages der Weberin Elrid Metzkes, der am 3. März war. Der Ehemann Harald, die Tochter Verena Hann-Metzkes und der Sohn Robert, die in verschiedenen Kunstgattungen schaffen, gratulieren mit eigenen kleinen Arbeiten.

Elrid Fiebig aus Pirna wurde an der Dresdener Kunsthochschule für die industrielle Formgestaltung von Kleiderstoffen ausgebildet, heiratete aber den gleichzeitig Malerei studierenden Harald Metzkes aus Bautzen und brachte drei Kinder zur Welt, ehe sie ihrem Mann, der Meisterschüler an der Berliner Akademie der Künste geworden war, 1959 nach Berlin folgte und in einer Wohnung am Käthe-Kollwitz-Platz freischaffend wurde. 1963 kaufte sie für 500 Mark einen Webstuhl und fertigte Gobelins zunächst nach Entwürfen ihres Mannes, die gleich seinen Gemälden und Grafiken Beobachtungen von Alltäglichem mit Ausflügen in Fantasiewelten verbanden. Sehr bald entwarf sie selbst und hielt bis heute an dem Prinzip fest, dass jedes Stück ein Unikat bleibt.

Weberei gilt als angewandte Kunst, die meist geringer als »freie« Kunst geschätzt wird, weil sie zweckgebunden ist. Das ist doppelter Unsinn, weil jeder Kunstschaffende verschiedene Zwecke verfolgt, jedes Kunstwerk mehrere Zwecke erfüllt, zum Beispiel eine bestimmte Kunstauffassung oder Weltanschauung vermitteln soll, und weil die erfinderische und gestalterische Leistung bei der Schaffung eines Ornaments oder eines Wandteppichs nicht geringer ist als bei einem Gemälde oder einer Plastik. Elrid Metzkes malt eben mit Fäden, und das höchst abwechslungsreich und anspruchsvoll. Sie wählt ihr Material sorgfältig aus, färbt die Woll-, Leinen- oder Seidenfäden selbst, erprobt verschiedene Techniken und wechselt gestaltend zwischen Abbildung, Erzählung und Abstraktion.

In der Ausstellung hängen vorwiegend neueste, aber auch einige schon vor Jahrzehnten entstandene Arbeiten. Im Motiv ist keine gegen irgendetwas aggressiv oder direkt politisch, aber alle regen das Nachdenken an - über skurrile Mitmenschen, die Harmonie stiller Dinge oder die Spannung komplizierter Konstruktionen. Die Aussage kann witzig sein wie in dem an Futurismus erinnernden Gobelin mit Akrobaten (2009), dessen Titel »Merseburger Zaubersprünge« auf die germanische Dichtung der Merseburger Zaubersprüche anspielt. In kleinen Ansichten von Musizierenden, Teedosen oder Landschaften variiert Frau Metzkes die Stilisierung zwischen Naturnähe und expressiver Steigerung. Den Betrachterblick fesseln besonders abstrakte Kompositionen wie »Balance« (2008), ein labiler Turm aus vielen farbigen Dreiecken. Nochmals: Derlei würde ohne Weiteres auch als Gemälde akzeptiert.

Die verschiedenen Techniken, die besondere Möglichkeiten eröffnen, sind uralt. Quilts (engl. Steppdecke) entstehen aus zusammengenähten Stoffstücken oder bekommen einen Reliefcharakter durch aufgenähte Flicken. Der Einblick in eine Raumflucht kann durch aneinandergenähte Seidenstücke ebenso suggeriert werden wie durch Malerei (»Interieur«, 1989). Bei dem dicht gewebten großen »Zacken-Kelim« (2006), einer aus der Türkei stammenden Teppichtechnik, kann man nur ahnen, welch genaue Vorüberlegung notwendig war, um die vielen Farben der Schussfäden richtig zu kombinieren. Gewebtes lässt sich nicht durch Übermalen korrigieren.

Harald Metzkes, der nie abstrakt malte, hat u. a. ein Bild von seiner Frau am Webstuhl und Studien, die sie angeregt haben mögen, beigesteuert. Die eckigen Terrakottaschalen der Tochter Verena Hann-Metzkes sind expressiv in Farben bemalt, die denen, die die Mutter verwendet, nahe kommen. Bemerkenswert der farbige Terrakottakopf »Josefine« (1990). Sohn Robert, der Bildhauer, ehrt seine Mutter mit - aus Raumgründen nur kleinen - Beispielen seiner mit Tonschlicker gefärbten Terrakottafiguren aus der Harlekinswelt der Commedia dell’arte, von der auch Vater Harald oft angezogen wurde. Die ganze Ausstellung ist ein Fest für die Augen.

Galerie Leo.Coppi, Berlin, Auguststr. 83, bis 5. Mai, Di-Sa 12-18 Uhr.

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