Rederechtlos

Standpunkt von Fabian Lambeck

  • Lesedauer: 2 Min.

Da erteilt der Präsident eines Parlamentes zwei Abgeordneten der Regierungsfraktion das Wort, die in einer wichtigen Frage anderer Meinung sind als ihre Parteiführungen. Wenig später werden Pläne bekannt, wonach das Rederecht der Parlamentarier derart beschnitten werden soll, dass solche Äußerungen jenseits des Fraktionszwanges zukünftig nicht mehr möglich sein werden. Was sich wie eine Posse aus einer Dritte-Welt-Autokratie liest, vollzieht sich derzeit im Deutschen Bundestag. Eine Große Maulkorb-Koalition aus SPD, FDP und Union hat sich dort im Geschäftsordnungs-Ausschuss formiert, um das Rederecht der Abgeordneten zu beschneiden. Ohne Plazet der jeweiligen Fraktion soll niemand mehr ans Mikrofon dürfen.

Das Vorhaben widerspricht dem Geist der Verfassung. Im Grundgesetz finden sich keine Hinweise auf Fraktionen, und einen Fraktionszwang - der hier nun per Geschäftsordnung weiter festgezurrt wird - sucht man auch vergebens. Dafür kann man unter Artikel 38 nachlesen, dass die Abgeordneten nur ihrem Gewissen unterworfen sind. Wenn man jene Parlamentarier, die sich aus Gewissensgründen gegen die eigene Fraktion entscheiden, einfach mundtot macht, dann grenzt das schon an Verfassungsbruch.

Die politische Willensbildung darf nicht nach dem Konsensprinzip erfolgen. Die Bürger müssen das Für und Wider abwägen können. Wer kritische Gegenstimmen in der eigenen Partei unterdrückt, der behindert die politische Willensbildung und kommt so seinem Verfassungsauftrag nicht nach.

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