Hoffen auf ein Wunder

LINKE leidet auch an sich selbst

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Dankbarkeit darf man keine erwarten in der Politik, Gerechtigkeit schon gar nicht. Ausgerechnet diejenigen, die mit dem täglichen Ruf nach Gerechtigkeit ihren politischen Anspruch ausdrücken, müssen beim Urnengang am 6. Mai zittern. Die LINKE, 2009 noch mit sechs Prozent ins Kieler Landeshaus eingezogen, dümpelt in den Umfragen bei zwei bis drei Prozent.

Abgerechnet wird am Schluss, spricht man sich in der Partei Mut zu. Und genau genommen hat das Bundesland die vorgezogenen Wahlen überhaupt erst den Interventionen, namentlich der LINKEN, gegen die Zusammensetzung des aktuellen Landtages zu verdanken. Sie hatte gemeinsam mit Grünen und SSW beim Landesverfassungsgericht in Schleswig geklagt, als allein die Zuteilung von Ausgleichs- und Überhangmandaten der CDU und FDP die nötige Mehrheit für ihre Regierungskoalition verschaffte. Auf richterliche Intervention erfolgte eine Änderung des Landeswahlgesetzes.

Doch die LINKE in Schleswig-Holstein hat es mit zwei Problemen zu tun. Mit der politischen Lage auf Bundesebene und mit sich selbst. Die Großwetterlage hat sich speziell mit dem Vormarsch der Piratenpartei geändert. Zog die LINKE 2009 noch selbst viele Protestwähler an, wandern diese inzwischen zu den selbst ernannten politischen Freibeutern. Dabei gab es immer wieder sachkundiges Lob für die LINKE. Werbestrategen bescheinigten der Partei eine gute Wahlkampagne. Auch der Internetauftritt sei besser als bei den meisten Konkurrenzparteien. Und wenn es um die Verständlichkeit des Wahlprogramms geht, attestieren Marketingtexter aus Kiel in einer Analyse der LINKEN ebenfalls einen überzeugenden Umgang mit der deutschen Sprache.

Und doch zahlt sich das nicht unmittelbar in Zuspruch aus. Spitzenkandidatin Antje Jansen (62) ärgert sich laut darüber, dass der Wahlkampf von einer Führungsdebatte in der eigenen Partei überlagert werde. Und etwas leiser darüber, dass der Hoffnungsträger großer Teile der Partei, Oskar Lafontaine, nicht seine Kandidatur als Parteichef anzukündigen bereit ist. Dass die LINKE im Land zwischen den Meeren jedoch kaum wahrgenommen wird, lässt sich der Bundespartei nicht anheften, sondern ist auf hausgemachte Ursachen zurückzuführen.

Selbst die Piraten waren mancherorts im Plakatieren fleißiger als die LINKE, obwohl diese über einen viermal so hohen Wahlkampfetat verfügt. Das Prinzip »Tue Gutes und rede auch darüber« wurde in zweieinhalb Jahren Landtagsarbeit vernachlässigt. Disharmonie in der Fraktion und Wechsel in den thematischen Zuständigkeiten erschwerten die Parlamentsarbeit.

Seit April 2011 ist die Stelle einer (eines) Kovorsitzenden neben der Landessprecherin Jannine Menger-Hamilton verwaist. Eine Nachwahl im vergangenen Juni scheiterte an fehlenden Mehrheiten. Seitdem wird die Personallücke wie ein gefährliches Minenfeld umgangen. Ein Landesvorstand, in dem sich Beteiligte gegenseitig lähmen, und der es nur bedingt geschafft hat, Streitereien in den Kreisverbänden zu beseitigen, Reibereien der Landesspitze mit der eigenen Jugendorganisation, eine in manchen Kreisverbänden kritisierte Fokussierung der Landespolitik auf größere Städte, Disharmonien zwischen Fraktion, Landesvorstand, Landesrat und Parteibasis – die Partei hat genug Gründe, selbstkritisch nach den Ursachen für schlechte Umfragewerte zu suchen. Hätte die LINKE überall Engagement, Empathie und Effizienz wie etwa in der Flüchtlingsarbeit an den Tag gelegt, dann müsste sie sich heute nicht vorhalten lassen, zu wenig Akzente gesetzt zu haben. Als Teil einer Opposition neben Grünen, einer traditionell nach links tendierenden Landes-SPD und einem linksliberalen Südschleswigschen Wählerverband wäre dies notwendig gewesen.

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